Nachrichtenbeitrag

Antike Duft- und Heilpflanze wiederentdeckt

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Von NNA-Korrespondentin Cornelie Unger-Leistner

Die Firma Speick Naturkosmetik feiert ihr 90jähriges Jubiläum. Die Ausstellung „90 Jahre Speick“ zeigt auch ein Stück Kulturgeschichte.

Ein bestimmter Gegenstand, ein Duft, eine Farbe und eine Kindheitserinnerung wird lebendig: So geht es derzeit vielen Stuttgartern, die die Ausstellung „Natürlich! 90 Jahre Speick“ im Stadtpalais besuchen. Die Stuttgarter Firma Speick Naturkosmetik hat sie anlässlich ihres 90jähriges Firmenjubiläums bestückt. NNA-Korrespondentin Cornelie Unger-Leistner hat sich die Ausstellung angesehen.

STUTTGART (NNA) – Schon am Eingang des Ausstellungsraums steigt einem der würzige, baldrianartige Duft in die Nase, den ein orangerotes Seifenstück seit 90 Jahren verströmt und der vor allem älteren Besuchern den Badetag zu Hause wieder ins Gedächtnis ruft.

Auch im Film, der die Geschichte der Seifenherstellung im Feinseifenwerk Walter Rau zeigt, scheint diese Erinnerung auf: ein Waschkessel mit erwärmten Wasser, in dem die Kinder jeden Samstag gründlich mit der Speickseife abgeschrubbt worden sind – Erinnerungen an eine Zeit, in der aus dem einfachen Waschen die Körperpflege wurde, die sich heute zum Wellnessthema weiterentwickelt hat. So kann man im Stadtpalais auch ein Stück Kulturgeschichte erleben.

Firmengründer Walter Rau gehörte zur Stuttgarter Gründergeneration der Zeit zwischen den Weltkriegen wie auch Zigarettenfabrikant Emil Molt, dem die Welt die Waldorfschule verdankt. Als Rau 1928 sein Seifenwerk gründete und damit eine Familientradition fortführte, setzte er auf ein neues Produkt. Nicht die nützliche Kernseife für den allseitigen Hausgebrauch sollte es sein, die der Familienbetrieb bisher hergestellt hatte, sondern der Feinseife galt sein Interesse – angereichert mit ätherischen Ölen.

Ein Markenprodukt mit natürlichen Zutaten sollte es sein, das den Menschen über die Reinigung hinaus auch Stärkung für Sinne und Nerven bot in einer Umwelt, die zunehmend von den Folgen der Industrialisierung geprägt war.

Die genaue Rezeptur der Speick-Seife bleibt ein Firmengeheimnis. Ihren typischen Duft verdankt sie der Speick-Pflanze, die schon in der Antike Verwendung als Duft- und Heilmittel fand. Venedig war ein Umschlagplatz für den Handel in der Neuzeit. Aus den getrockneten Wurzeln des Speick werden die wertvollen ätherischen Öle gewonnen.

Zum Wohl des Menschen

Valeriana celtica – so ihr Name in der Botanik – wächst nur in 1.800 – 3.000 Metern Höhe in den Kärntner Alpen. 1936 wurde sie von der österreichischen Regierung unter Naturschutz gestellt. Diese 15 Zentimeter hohe Pflanze, die gelb blüht, entdeckte Walter Rau für seine Feinseifenproduktion neu und der Kräutername „Speick“ lieferte dann auch die Bezeichnung für die ganze Firma. In der Ausstellung sind die Firmenbusse mit der Aufschrift „Speick“ zu sehen, die in den 50er Jahren die Seifen in die Geschäfte im Stuttgarter Raum ausfuhren.

Rohstoffe aus der Natur zum Wohl des Menschen zu nutzen war eines der Firmenprinzipien des Gründers Walter Rau. Dass ihm Duft und Farbe besonders wichtig waren, mag auch an seiner eigenen Biographie liegen: Rau wurde durch eine Erkrankung als Jugendlicher zunächst schwerhörig und später taub. Aber auch die Anthroposophie Rudolf Steiners war für Rau wie auch für Emil Molt eine Quelle seines unternehmerischen Schaffens. Neben den natürlichen Rohstoffen und der Nachhaltigkeit gehört von daher von Anfang an der wertschätzende Umgang mit den Mitarbeitern zur Firmenphilosophie.

Speick wurde mehrfach ausgezeichnet z.B. 2014 mit dem CRS-Preis der Bundesregierung für besonderes gesellschaftliche Verantwortung oder auch beim deutschen Nachhaltigkeitspreis 2012 und 2013. Das Speickwerk ist inzwischen in Leinfelden-Echterdingen angesiedelt, wo es 50 Mitarbeiter beschäftigt.

Familienbetrieb

Ein Familienbetrieb ist die Firma geblieben, Rau-Enkelsohn Wikhart Teuffel ist Geschäftsführer. Im Lauf der 90jährigen Geschichte hat sich die Produktpalette ständig erweitert, die Verwendung des Thermalwassers aus der Quelle in Schlangenbad/Hessen wurde eine weitere Spezialität der Naturkosmetik-Marke.

In der Ausstellung, die noch bis zum 21.Oktober im Stadtpalais Stuttgart am Charlottenplatz zu sehen ist, wird die Geschichte der Firma lebendig, die ihren Ausgang bei der kleinen Alpenpflanze und einem würzigen, orangeroten Seifenstück genommen hat.

Besucher können hier die Stationen der Seifenherstellung nachvollziehen, mit einer Duftorgel Sinneserfahrungen machen und an verschiedenen historischen Exponaten in alte Zeiten eintauchen. Es finden sich die Wurzeln des Speicks ebenso wie ein „Speickkramperl“, ein gebogenes Holzstsück, mit der die Almbauernfamilien in Kärnten die Wurzeln von Hand ernten.

Die Speick-Pflanze ist seit 2003 als eine der wenigen europäischen Pflanzen als kontrolliert biologische Wildsammlung zertifiziert. Wer die Pflanze in ihrer heimischen Umgebung besuchen will, kann dies bei einer der Speick-Wanderungen tun, die im Kärtner UNESCO Biosphärenpark Nockberge, der Heimat des Speick, angeboten werden.

END/nna/ung

Bericht-Nr.: 181008-03DE Datum: 8. Oktober 2018

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Eine Speick Seifenschachtel von 1930.
Die Speick-Pflanze ...
... aus ihrer getrocken Wurzel werden wertvolle ätherische Öle gewonnen.
Ein Besucher informiert sich über die Seifenherstellung.<br>Fotos: SPEICK Naturkosmetik