Nachrichtenbeitrag

Die Kunst der Begleitung

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Von Franz Ackermann

BUCHBESPRECHUNG | Die ehrenamtlichen Hospizarbeit ist das Thema des Buchs Die Kunst der Begleitung. Franz Ackermann, Veranstalter und Kursleiter im Bereich Sterbekultur, hat das Buch gelesen.

Mainz (NNA) – Als Ergebnis eines Forschungsprojekts zum Wirken von Ehrenamtlichen in der Hospiz- und Palliativarbeit ist ein handliches Buch im Sommer 2018 erschienen, das von vier in der palliativen Medizin bekannten Autoren herausgegeben wurde.

Auf 168 Seiten werden Aufgaben und Erlebnisse von Hospizmitarbeitenden eindrücklich beschrieben. Viele bewegende Erfahrungen Berichte und Erzählungen auf den Wegen des Sterbens werden dokumentiert. Was Sterbende Schweres erleben, erfahren oder erleiden genau so, wie was sie beglücken und erheben kann. Ehrenamtliche sind Zeugen des Weges an die Schwelle und dessen, was auf diesem Weg geschehen kann. Sie können, wenn die Begleitung gelingt, sich als wertvolle Geburtshelfer am Übergang in ein anderes Dasein erweisen. Davon enthält das Buch eine Fülle von Beispielen.

Die Aufgabe, Menschen am Lebensende zu begleiten ist anspruchsvoll. Sie setzt voraus, dass die Begleitperson sich selber zurücknehmen kann. Der Sterbende braucht Raum, braucht Zeit, braucht manchmal Nähe, manchmal auch Distanz. Das Buch macht darauf aufmerksam. Es zeigt die Klippen auf, die Gefahren. Begleitungen können auch misslingen. Es besteht stets ein Risiko. Es werden Grenzen in der Begegnung am Lebensende beschrieben. Grenzen, die manchmal überwunden werden können, manchmal auch nicht.

Grenzen überwinden

Hospizmitarbeitende können zuweilen Grenzen überwinden, wenn sie konventionelle Grenzen übersteigen. Es taucht der Begriff der Intuition auf, der zuweilen zu Eingebungen verhilft, die unerwartet hilfreich sein können. Auf dem Weg an die Todesschwelle sind sogenannte transzendente oder spirituelle Erfahrungen etwas, womit man zu rechnen hat, womit man umgehen können muss. Im Kapitel „Wie findet Sterben heute statt?“ schreibt Reimer Gronemeyer darüber. Er charakterisiert, dass im naturwissenschaftlichen Zeitalter Medizin und Pflege mit Spiritualität nichts zu tun haben können. Seelische Anteilnahme und Begleitung gehört weder zu ärztlicher noch pflegerischer Tätigkeit.

Da öffnet sich das Feld für die Freiwilligen. Das Transzendente, das Spirituelle, ist ihre Domäne. Allerdings ist dies eine Angelegenheit, mit der auch die Religionen heute nichts mehr zu tun haben. Gronemeyer spricht von „postchristlicher Spiritualität“, die nach dem Schwinden des klassischen christlichen Vokabulars auftaucht. An dessen Stelle trete eine „bisweilen amöbenhafte-diffuse ‚Spiritualität‘“. Freiwillige reden und handeln in „einer Art religiöser Neutralität“.

Leider ist dieses zentrale Kapitel nicht von jemandem verfasst worden, der einen Zugang hat zu dem, wovon er spricht. Wenn dann das Kapitel zur zentralen Frage kommt, die so manche Sterbende bewegt, der Sinnfrage, so ist für Gronemeyer klar, dass im Sterben selber kein Sinn liegen kann. Der Tod ist sinnlos. Die Frage nach dem Sinn ist überhaupt ein „Auslaufmodell, etwas Altmodisch-Museales“. Da aber die Freiwilligen in ihrer Tätigkeit sich als immer wieder neu reich Beschenkte erfahren, was im Buch fortwährend gelobt wird, und diese Erfahrung wird konstant als etwas „Heiliges“ beschrieben, so darf die Sinnerfahrung wenigstens den freiwilligen Begleiterinnen und Begleitern zugesprochen werden, die damit Anteil an einem „raren Phänomen“ haben können.

Wegbereiter einer Kultur des Sterbens

Die Stärke des Buches liegt in den Berichten und Erzählungen der Beteiligten. In ihnen werden die Sphäre des Sterbens und die Aufgaben des Begleitens beleuchtet, ob man nun Freiwilliger ist oder Fachperson sollte keinen Unterschied ausmachen, wenn es um Menschen geht, die sterben. Erschütternd für den Rezensenten ist die nüchterne Beschreibung des gegenwärtigen Berufsbildes ärztlich oder pflegerisch tätiger Menschen und ihrer zugehörigen Wissenschaft.

Mögen Freiwillige und Ehrenamtliche durch ihre Erfahrung an der Todesschwelle die Grenzen in den Köpfen und Herzen der Menschen überwinden helfen, in dem sie Wegbereiter werden, für eine Kultur des Sterbens, die sich aus einer Wissenschaft nährt, die auch im seelischen und geistigen sich als exakt und tauglich erweist. Ihr verdanken seit über hundert Jahren weltweit zahlreiche Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen unerschöpfliche Inspirationsquellen. Gemeint ist die Anthroposophie Rudolf Steiners.

END/nna/cva

Patrick Schuchter, Michaela Fink, Reimer Gronemeyer, Andreas Heller: Die Kunst der Begleitung. Was die Gesellschaft von der ehrenamtlichen Hospizarbeit wissen sollte, 168 Seiten, der hospiz verlag, Esslingen 2018, ISBN: 978-3-946527-23-7. Preis: € 24,90 (D)/ € 25,60 (A).

Diese Buchbesprechung erscheint hier mit freundlicher Genehmigung von Franz Ackermann und www.sterben.ch, wo sie zuerst veröffentlicht wurde.

Bericht-Nr.: 181209-01DE Datum: 9. Dezember 2018

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