Nachrichtenbeitrag

Endstation Dornach: Ich freue mich wenn es regnet.

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Von NNA-Korrespondent Walter Siegfried Hahn

Das Buch Endstation Dornach hat seit seinem Erscheinen Kontroverse und Diskussion ausgelöst. Walter Siegfried Hahn hat es für NNA gelesen - sogar zwei Mal.

MAINZ (NNA) - Es gibt Werke, die sind erst dadurch berühmt geworden, dass sie unterdrückt, tot geschwiegen, missachtet oder verboten wurden. Das sagt nicht unbedingt etwas über ihre Qualität, eher über die Umgebung, in die hinein sie veröffentlicht wurden. Oder zumindest regt es Gedanken an, warum das Werk so behandelt wird: Was ist da wohl Schlimmes dran? Diese Mechanismen macht sich auch so mancher Marketing-Manager zunutze, indem er mit seinen Werbemaßnahmen bewusst provoziert. Und um so ein schlimmes Werk handelt es sich hier – die Provokation ist jedenfalls sehr deutlich und bewusst vollzogen. In der Szene, in der es veröffentlicht, für die es geschrieben ist, hat sich in der kurzen Zeit seines Erscheinens schon einiges an massiven Reaktionen ergeben, teilweise nachzulesen auf www.endstation-dornach.de. Das spricht zumindest dafür, dass die Provokation gelungen ist. War´s das nun oder inwiefern ist das Werk des Lesens wert?

Worum handelt es sich? Vier junge Männer (jung gemessen am Durchschnittsalter ihres Zielpublikums) treffen sich zu Gesprächen über Rudolf Steiner, die Anthroposophie und die Anthroposophen. Prädestiniert dazu sind sie irgendwie ja auch, weil sie alle mal Waldorfschüler waren. Vor allem aber haben sie sich lange und intensiv mit der Materie beschäftigt und es ist durchaus nützlich und interessant, was da an Perspektiven und Zitaten eingebracht wird. Das Ganze spielt sich an drei für die Anthroposophie wichtigen Orten ab, im „Katharerland“, in Dornach und in Berlin, wo Steiner vom literarisch-philosophischen Bohemien zum Theosophen wurde. Damit nicht genug, steht für die Verknüpfung der Orte noch ein VW-Bus zur Verfügung, der einen Abstecher in einer Autobahnkirche erlaubt und den Charakter eines Road Movie unterstreicht. Die unterwegs gehörten Soundtracks werden dann auch detailliert angegeben – sollte man allerdings von ihnen auf die Qualität der Diskussionen schließen, wäre man schlecht beraten, handelt es sich doch fast ausnahmslos um banale Produkte einer Unterhaltungsindustrie, die quer zu den Anliegen der Autoren und ihres Diskussionsstoffs liegen. Aber vielleicht lässt sich das ja auch als Teil der Ungereimtheiten des Lebens interpretieren, die zu kritisieren sie sich bei anderen zum Ziel gesetzt haben.

Die Gespräche der vier „Evangelisten“ entwickeln sich über die 350 Seiten gut griffigen Papiers von eher philosophischen Themen zu mehr persönlichem, um schließlich in deutlich absurdem Szenario zu enden. Zwischen viel Zigaretten-Qualm, Kaffee, Alkohol unterschiedlichster Provenienz und Güte, Süßigkeiten aller Art findet sich wohl für jede Leserin etwas Ansprechendes oder Provokantes – obwohl wohl schon beim Zigaretten-Qualm der eine oder die andere vermutlich zu lesen aufhört. Nun, das gehört zum Plot und ist nur einer der unzähligen Haken, an denen man sich verfangen kann. Während die erkenntnistheoretischen Diskussionen eine intellektuelle Herausforderung darstellen, wird es seltsam banal, wo es persönlich wird: Das Kapitel über die Waldorfschulzeit strahlt tatsächlich die größte Wärme aus und verblasst zugleich in Belanglosigkeiten.

Den Meinungen, „die“ Anthroposophie habe dieses Buch nicht nötig, kann ich mich nicht anschließen. Ich habe buchstäblich Hunderte von Menschen erlebt, die sich durch Engstirnigkeit, Dogmatismus und Arroganz von Anthroposophen und Anthroposophinnen von der Anthroposophie abgewendet haben. Schade drum eigentlich. Bei aller Kritik an dem Buch – Angriffsfläche bietet es genug wenn man es ernst nimmt, schließlich ist es als Satire angelegt – ist nicht zu übersehen, dass die vier Autoren mit „Herzblut und Engagement“ dabei sind. Statt sich abzuwenden und das Feld denen zu überlassen, derentwegen sich viele abwenden, kommen sie mit einem lustigen Text daher, der nicht zuletzt bemüht ist um die „Aufhebung der künstlichen Trennung von Geist und Spaß.“ Soll man sie jetzt negieren, schön reden, abtun, ausschließen oder was? Gäbe es einen Platz in dieser Bewegung, die doch nun wirklich exzentrische Typen en Masse hervorgebracht hat und sie alle irgendwie trägt. Mal abgesehen von denen, die tatsächlich ausgeschlossen wurden. Schade drum eigentlich.

Man braucht nicht weit zu lesen in diesem Buch, um sich schlauer vor zu kommen, sich überheblich abzuwenden oder mit einem Steiner-Zitat alles für ungültig zu erklären. Interessanter wird es, wenn man sich auf die eine oder andere Provokation, den einen oder anderen Dissens einlässt und damit umgeht. Dann hätte das Buch seinen Zweck erfüllt. Mich selbst hat es jedenfalls mehr bewegt als so manches an Schöngeistigem, was in den bekannten Verlagen erscheint.

Was selten vorkommt: Ich habe es mir gleich nach Beendigung der Lektüre ein zweites Mal vorgenommen. Das Buch ist ein anthroposophisches Werk, weil es umfassend anregt. Wenn man sich dabei erstmal in Emotionen verstrickt und sich über die Autoren und ihr Werk entsprechend auslässt, zeigt das ja nur, wie wenig das Fühlen entwickelt und wie schwierig die Sache mit dem Denken ist.

Nehmen wir die Reaktionen wie das Buch selbst als einen Teil der Realsatire, die wir erleben, ist vielleicht alles nicht so schlimm. Oder wie Karl Valentin es sagt: „Ich freue mich wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“

END/nna/wsh

Christian Grauer - Felix Hau – Christoph Kühn – Ansgar Martins: Endstation Dornach - ISBN 978-3-981487-0-1

Bericht-Nr.: 120320-01DE Datum: 20. März 2012

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