Nachrichtenbeitrag

Erstes Erfahrungsfeld der Sinne in China eröffnet

 | 
Von Anne Hu

Das erste Erfahrungsfeld der Sinne in China will den Menschen die Möglichkeit geben, die Welt neu durch die authentische Sinneserfahrung zu erleben. Pionier Kükelhaus war mit chinesischer Kultur verbunden.

Das erste Erfahrungsfeld der Sinne ist jetzt in China eröffnet worden. Es ist auch das erste seiner Art in Asien. Sein Konzept geht auf den Deutschen Hugo Kükelhaus zurück. Kükelhaus wollte den Menschen die Möglichkeit geben, die Welt wieder direkt durch individuelle und authentische Sinneserfahrung zu erleben anstelle in der Einförmigkeit industrieller Produkte und der virtuellen Realität. Anne Hu hat die Eröffnung des Erfahrungsfelds in Changsha für NNA besucht.

Changsha/China (NNA) – Der 24. März ist ein regnerischer, grauer Tag in Changsha, der Hauptstadt der Provinz Hunan in China. Trotz des trüben Wetters sind viele Menschen an den Stadtrand von Changsha gekommen, um die Eröffnung des ersten Erfahrungsfelds der Sinne in China zu erleben.

Walter Siegfried Hahn, der Kreativdirektor und Changchun Hu, der Geschäftsführer, begrüßen ihre Gäste in der Halle der Athenas Academy in Broad Town, dem Geschäftssitz der Broad Gruppe.

Die Zeremonie ist ein Erfahrungsfeld eigener Art: Sie beginnt mit einem Kreistanz und nachdenklichen Grußworten, dem Falten eines fünfzackigen Sterns mit eigenen Händen, um ein Gefühl für die Unendlichkeit der menschlichen Existenz zu erlangen, Klangerlebnissen von Jochen Fassbender, die ein Gänsehautfeeling erzeugen und schließlich die Enthüllung der Gingko–Platte, auf der sich die deutsche und chinesische Version von Goethes Gedicht über den Gingko Baum findet, das so wunderbar die Qualitäten von Ost und West, von Yin und Yang, von eins und zwei berührt.

Es gibt viele Erfahrungsfelder, die meisten von ihnen sind in Europa, für die Chinesen ist es etwas Neues. Aber in der Stadt hat sich die Nachricht schnell verbreitet, dass es etwas ist, das man gesehen haben muss – mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Füßen betreten.

Und während die großen Metallröhren (Hörrohre, die aus Fabrikmüll gemacht wurden) noch etwas verwunderlich wirken, während der Riesenstuhl (ein Biographie-Stuhl, auf dem Erwachsene wie Kinder aussehen) lustig wirkt, vermittelt der „lange Marsch“ durch das enorme Labyrinth den Besuchern nicht nur eine Sinneserfahrung, sondern auch eine humorvolle Annäherung an die Dinge, die ausgewählt worden sind, um den Ort zu gestalten.

Lernen durch den Körper

Das Erfahrungsfeld wurde von Hugo Kükelhaus (1900–1984) entwickelt, einem deutschen Zimmermann, Schriftsteller, Pädagogen, Philosophen und Künstler. Die Eröffnungszeremonie galt auch dem 117. Geburtstag von Kükelhaus.

Internationale Anerkennung erfuhr Kükelhaus laut seinem Wikipedia Eintrag mit der World Expo in Montreal im Jahr 1967, wo er 30 verschiedene Erfahrungsstationen ausstellte. Im Zentrum dieser Stationen stand die Erfahrung der Welt mit allen Sinnen und die Aufmerksamkeit für den Körper – beides im Gegensatz zu einer nur intellektuellen Wahrnehmung der Welt. Seine Experimentierstationen waren „Manifestationen einer Phänomenologie des Bewusstseins, die den Lernprozess ansieht als eine seelisch-körperliche Erfahrung: Lernen durch den Körper.“

Dass das Erfahrungsfeld in Changsha in nur einem Jahr entstanden ist, zeigt eine enorme Geschwindigkeit – sie kennzeichnet China. Genau vor einem Jahr – zufällig an Kükelhaus’ 116. Geburtstag – trafen die beiden Gründer der chinesischen Sponsoring Institution Juehuo, Changchun und Geng Rui, auf Walter Hahn. (Juehuo kann übrigens zweierlei bedeuten: das Leben fühlen oder erwachtes Leben) Der Wunsch von Juehuo, ein Erfahrungsfeld einzurichten, fiel bei ihm sofort auf fruchtbaren Boden.

Lebendiges Netzwerk

Wer noch nicht in China unterwegs war, wird es sich nur schwer vorstellen können, aber es gibt nicht nur Hochhäuser, Brücken und Tunnel, die überall aus dem Boden schießen, sondern es wächst auch die Anzahl von Menschen, die die Notwendigkeit empfinden, etwas für die Bildung zu tun und das auch selbst in die Hand zu nehmen. 300 Waldorfinitiativen sind in nur zehn Jahren entstanden und dokumentieren diese Entwicklung. Nachdem die Idee des Erfahrungsfeldes einmal in China angekommen war durch die sozialen Medien, bekam Walter Siegfried Hahn einige Anfragen aus dem ganzen Land. Er wählte aus verschiedenen Gründen Changsha aus.

Weniger, weil er die „Rote Bibel“ von Mao Tse Tung in seiner Jugend gelesen hatte (und Mao verbrachte seine Jugend in der Stadt) und auch nicht aufgrund des würzigen, verschiedenartigen Essens der Stadt, das Walter Hahn sehr gern mag. Den Ausschlag gab ihr soziales Umfeld, ein lebendiges Netzwerk von kulturellen und wissenschaftlichen Initiativen, die nicht nur mit anderen Initiativen der 8-Millionen-Stadt verbunden sind, sondern auch mit der Provinz Hunan, mit ganz China und auch weltweit.

Walter Hahn beabsichtigte, eine überzeugende Kommunikation der „Methode“ des Erfahrungsfelds in Changsha zu erproben und nicht eine serienproduzierte Konstruktion von Installationen, wie sie Spielplätze oder Fußgängerzonen des Landes prägen. „Schauen Sie sich alle diese aufregenden Dinge an, die wir heute haben“, sagt er, „aber wenn die Leute gar nicht wissen, was sie damit machen können?“ Er meint, unsere Welt ist aus dem Gleichgewicht geraten, weil wir Dinge an die erste Stelle setzen und nicht den Prozess, Objekte anstelle von Fähigkeiten. Bisher sind 50 Installationen durch das lokale Team realisiert worden, Hahn betont, dass die Fähigkeiten mindestens so wichtig sind, die in diesem Prozess entwickelt wurden.

Er selbst hat einen längeren Weg hinter sich, der damit anfing, dass er das größte Erfahrungsfeld in Deutschland (Schloss Freudenberg) geleitet hat und das in der Schweiz (Sensorium). Zuerst zog es ihn nach Westen, er hat in Nord Amerika gearbeitet (Hawaii und Michigan) und dann seine Erfahrungen mitgebracht in verschiedene Länder wie Bangladesch, Thailand und die Philippinen. Während dieser Zeit hat er immer auch Projekte in Europa betreut wie Trainings-Kurse für Mitarbeiter der Erfahrungsfelder, Installationen oder auch eine ganzes Erfahrungsfeld aufgebaut wie jetzt in Changsha.

Chinesische Traditionen einbezogen

Obwohl das Erfahrungsfeld ein westliches Konzept hat, wurden verschiedene Ideen und Traditionen Chinas einbezogen: Zum Beispiel wurden Installationen aus Holz gemacht und dabei traditionelle chinesische Verbindungen verwendet, statt alles mit Schrauben zusammenzuhalten. Oder auch bei den Klangsteinen: Im Westen hatte Elmar Daucher das Klangpotenzial von massiven Steinen 1970 entdeckt und Hugo Kükelhaus integrierte einen solchen Stein in seine Ausstellungsstücke.

In China gab es schon vor 5000 Jahren riesige Steine, die als Klangobjekte verwendet worden sind, sie werden heute noch in den buddhistischen Tempeln eingesetzt.

Obwohl die Klangsteine in der heutigen Gesellschaft Chinas nicht so bekannt sind, gibt es viel Know How darüber, wie man „stille“ Steine zum Klingen bringen kann und es war klar, dass sie Teil des Erfahrungsfelds werden würden.

Und dann gibt es natürlich noch die tibetischen Klangschalen. Indem man einen Holzhammer, der mit Gummi überzogen ist, am Rand der Schale entlangführt, entstehen harmonische Obertöne, die eine einzigartige, beruhigende Wirkung haben – beschrieben als „den Ton vom Anfang des Universums“. Die Schale ist so groß, dass man darin sitzen kann, so kann man das Auf und Ab der Töne mit dem ganzen Körper spüren. Klangschalen werden im Buddhismus als Signal am Anfang und Ende einer Meditation eingesetzt.

Radikaler Wandel

Im letzten Teil der Eröffnungszeremonie wurden Grußworte der Hugo Kükelhaus Gesellschaft aus Deutschland verlesen ebenso wie von Schloss Freudenberg, des Sensoriums und auch von Hugo Kükelhaus‘ Tochter: „Die besten Wünsche und viel Glück für das neue Erfahrungsfeld nach den Ideen von Hugo Kükelhaus. Möge es vielen Menschen Freude und inneres Wachstum bringen. Wir wissen, dass Hugo Kükelhaus ein großer Bewunderer der chinesischen Kultur war und viele seiner Ideen dort ihren Ursprung haben. Ich erinnere mich daran, wie er mir zeigte, wie man die chinesische Tinte herstellt und wie man schreibt und zeichnet mit einer Gänsefeder. Mit herzlichen Wünschen. Barbara Vogel-Kükelhaus.“

Möglicherweise ist jetzt die Zeit gekommen, in der die westlichen Ansätze zur Sinnesentwicklung und -erziehung auch in der Welt des Orients fortgesetzt und mit östlicher Weisheit kombiniert werden.

Hugo Kükelhaus war Zeuge eines radikalen Wandels im Verhältnis des Menschen zu der ihm umgebenden Umwelt. Er zeigte auf, dass die Abkehr von individuell angefertigten Produkten zur industriellen Massenware einen Schritt weg bedeutet, wenn man mit menschlichen Maßstäben misst. Von nun an hatten die Maschinen das Sagen, betonte er.

An die Stelle von individuell gefertigten Produkten traten leblose, identische Kopien, die Maschinen hergestellt haben. Durch diese Entwicklung wurden die Menschen mehr und mehr in eine künstliche und von Maschinen bestimmte Welt hineingezogen, die ihnen teilweise ihre sinnlichen Fähigkeiten raubt und damit auch die Verbindung zur Natur und dem anderen Menschen.

Bis heute hat sich die Kluft zwischen den Menschen und ihrer mit den Sinnen wahrnehmbaren Umgebung noch weiter vertieft, aber Menschen wie Kükelhaus und all diejenigen, die auf die Wirkung seiner Erfahrungsfelder setzen, versuchen, die Menschen ihre Fähigkeiten wieder entdecken zu lassen. So lernen sie wieder, die Welt mit eigenen Augen zu sehen und fordern die Kontrolle ihres Lebens zurück von den elektronischen Geräten.

Authentische Erfahrung

Walter Hahn hat so seinen Traum mit anderen geteilt, dass alle Menschen der Erde wenigstens eine authentische Sinneserfahrungen machen können und einmal in ihrem Leben ein Erfahrungsfeld besuchen.

Das Erfahrungsfeld in Changsha ist das erste in Asien, aber es wird sicherlich nicht das letzte sein. Nachdem das Team von Juehuo ein Pionier in der Sinnesentwicklung geworden ist, kann es zusammen mit Walter Hahn jetzt seine Kenntnisse auch an anderen Orten in China zum Einsatz bringen.

Obwohl es ununterbrochen regnete am Eröffnungstag, lachten und scherzten die Besucher unter ihren roten, blauen und gelben Regenschirmen und versuchten, den zentralen, offenen Teil zwischen den ganzen Büschen zu finden – ein echtes Labyrinth mit dem Namen „Der Elefant im Hut“. Die fröhliche Stimmung wuchs immer weiter an – wie die Pflanzen im erfrischenden Frühlingsregen.

END/nna/ah/ung

Bericht-Nr.: 170429-01DE Datum: 29. April 2017

© 2017 News Network Anthroposophy Limited (NNA). Alle Rechte vorbehalten.

Zurück
Blick in den Echotunnel (Foto: Juechuo)
Die tibetische Klangschale ist groß genug, dass man drin sitzen kann (Foto: Xixi Photo)
Die Welt aus kindlicher Perspektive auf dem Biographie-Stuhl (Foto: Hahn)
„Der Elefant mit dem Hut“ - ein Riesenlabyrinth (Foto: Hahn)
Hörrohre aus Fabrikmüll gemacht (Foto: Xixi Foto)
Und Klangsteine, die noch heute in buddhistischen Tempeln eingesetzt werden (Foto: Hahn)
Walter Siegfried Hahn, der Kreativdirektor ...
... und das Team (Beide Fotos: Xixi Photo)
Begrüßung der Besucher im Erfahrungsfeld der Sinne (Foto: Hahn)