Nachrichtenbeitrag

„Julian Assange hat einen Orden verdient, keine Haftstrafe“

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Von NNA-Mitarbeiter

Aktionswoche von Reporter ohne Grenzen in Washington gegen die Auslieferung von Julian Assange. Journalistenorganisationen fordern US-Präsident Joe Biden auf, das Verfahren gegen Assange einzustellen, dessen Auslieferung nach der jüngsten Gerichtsentscheidung droht.

WASHINGTON/BERLIN (NNA) – Angesichts der drohenden Auslieferung des WikiLeaks-Gründer Julian Assange an die Vereinigten Staaten hat Reporter ohne Grenzen (RSF) eine Aktionswoche mit Treffen in Washington DC und einer mobilen Kundgebung veranstaltet, um dessen dringende Freilassung zu fordern.

RSF leitete am 17. Juli die Aktion mit einem Truck ein, der durch die Hauptstadt fuhr, um öffentliche Unterstützung für die Forderung #FreeAssange zu mobilisieren. Mit geplanten Stopps am Weißen Haus, dem Justizministerium, dem Außenministerium, dem Kapitol und den Botschaften Australiens und Großbritanniens zeigte der Lastwagen Botschaften, die auf die Gefahr hinwiesen, die Assanges Auslieferung und strafrechtliche Verfolgung für den Journalismus und das Recht der Öffentlichkeit auf Information bedeuten würde.

Zuvor hatte RSF an US-Präsident Joe Biden appelliert, das Verfahren gegen Assange einzustellen und zu ermöglichen, dass er freikommt. Es sei an der Zeit, „diesem unerbittlichen Feldzug gegen Assange ein Ende zu setzen“, schreibt RSF.

RSF reagierte mit der Erklärung auf die Entscheidung eines Richters in Großbritannien, der am 6. Juni Assanges Berufung gegen den Auslieferungsbefehl der damaligen britischen Innenministerin Priti Patel zurückgewiesen hat. Die Gefahr, dass Wikileaks-Gründer Julian Assange tatsächlich an die USA ausgeliefert wird, sei nun „so real wie zu zuvor“.  In den USA droht Assange wegen der Veröffentlichung geheimer Informationen über Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen des US-Militärs in Afghanistan im Jahr 2010 bis zu 175 Jahre Haft. 

„Es ist unfassbar, dass ein einzelner Richter mit einer dreiseitigen Entscheidung Julian Assange der Gefahr aussetzen kann, den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen zu müssen – und zugleich das weltweite Klima für den Journalismus nachhaltig beeinflussen kann“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr.

Notwendige Enthüllungen

Journalistenorganisationen weltweit setzen sich für die Freilassung von Julian Assagen ein. „Es ist nicht damit zu rechnen, dass Julian Assange in den USA ein faires Verfahren erwartet, an dessen Ende auch ein Freispruch stehen kann“, betonte zum Beispiel der Bundesvorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) Frank Überall. Assange habe Kriegsverbrechen aufgedeckt. Wie notwendig solche Enthüllungen sind, habe die Weltöffentlichkeit gerade erst wieder am Beispiel von Butscha erfahren. Julian Assange „verdient einen Orden und nicht eine lebenslange Haftstrafe“, so der DJV-Vorsitzende.

In der nur dreiseitigen schriftlichen Entscheidung vom 6. Juni 2023 wurde Assanges Berufung gegen den Auslieferungsbefehl vom Juni 2022 in allen acht Punkten zurückgewiesen.

Nach Angaben von RSF bleibt Assange damit nur noch eine letzte Möglichkeit innerhalb des britischen Justizsystems. Bei einer weiteren Ablehnung bliebe als letzte Option, den Fall vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu bringen. Doch ob eine Entscheidung dort seine Auslieferung verhindern kann, sei fraglich, betont RSF.

Julian Assanges Ehefrau Stella erklärte auf Twitter, dass er erneut Antrag beim Obersten Gerichtshof Berufung einlegen werde. „Wir sind weiterhin optimistisch, dass wir gewinnen werden und Julian nicht an die Vereinigten Staaten ausgeliefert wird“, schreibt sie.

Mit der jüngsten Entscheidung beginnt die letzte Phase einer mehr als dreijährigen Odyssee vor britischen Gerichten. Das Verfahren geht zurück auf einen Auslieferungsantrag der USA. Dort wurde Assange in Zusammenhang mit der Veröffentlichung umfangreicher geleakter geheimer Dokumente durch WikiLeaks in 18 Punkten angeklagt, unter anderem nach dem US-Spionagegesetz. Ausnahmen für Veröffentlichungen von besonderen öffentlichen Interesse sind darin nicht vorgesehen.

Nachdem im Januar 2021 ein Gericht in erster Instanz eine Auslieferung mit Verweis auf Assanges psychische Gesundheit abgelehnt hatte, hob ein Berufungsgericht im Dezember desselben Jahres die Entscheidung aufgrund von Zusicherungen der US-Regierung, sie werde Assanges Sicherheit gewährleisten.

Mit zweierlei Maß gemessen

Assange wäre der erste Verleger, dem droht, in den USA wegen Spionage vor Gericht gestellt zu werden. Auch die Chefredakteure internationaler Leitmedien, die damals zusammen mit Wikileaks die Kriegsverbrechen der USA in Afghanistan enthüllt hatten, haben gegen die Behandlung von Julian Assange protestiert und US-Präsident Joe Biden aufgefordert , die Anklage gegen ihn fallen zu lassen.

Im Gegensatz zu Assange sind die Journalisten weiterhin auf freiem Fuß und müssen sich nicht sorgen, dass sich daran etwas ändern könnte. Die Chefredakteure werfen der US-Regierung vor, mit zweierlei Maß zu messen. Einerseits stärke die US-Regierung mit neuen Richtlinien die Rechte von Journalisten und schütze sie und ihre Informanten vor staatlicher Verfolgung, Informationsbeschaffung sei nun „kein halbkrimineller Vorgang mehr, der Rechercheure das Fürchten lehrt“. Dies alles gelte aber nicht für Julian Assange, der weiterhin wegen Spionage angeklagt werde, obwohl es dafür keine sachliche Grundlage gebe. US-Präsident Biden solle „einen Schlussstrich ziehen“ im Verfahren gegen Assange, fordern die Chefredakteure.

END/nna/ung/cva

Bericht-Nr.: 230723-01DE Datum: 23. Juli 2023

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Bild: RSF