Nachrichtenbeitrag

Längerer Stromausfall hätte verheerende Folgen

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Von NNA Mitarbeiter

WITTEN/HERDECKE (NNA) - Länger anhaltende Stromausfälle stellen ein enormes Risiko in den Gesellschaften des 21.Jahrunderts dar. Fast alle Lebensbereiche benötigen mittlerweile Strom, um ihre anstehenden Aufgaben zu bewältigen. Durch die modernen Kommunikationsmittel sind auch Katastrophenschutz und Rettungskräfte auf Elektrizität angewiesen.

 

Experten aus Behörden, Hilfsorganisationen und Wissenschaft diskutierten in einem Workshop der Universität Witten/Herdecke die Konsequenzen eines solchen „Super-GAU“ im Elektrizitätsbereich. Hintergrund ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziertes Forschungsprojekt „Prioritätenbildung bei Rettungsmaßnahmen“ an Deutschlands erster Privatuni.

Besondere Aktualität gewinnt das Thema durch Medienberichte, nach denen die Stromversorgung in Deutschland vor kurzem schon vor einem Blackout stand, da Stromhändler die Reserven an Elektrizität offenbar zu Spekulationen genutzt haben. Die Bundesnetzagentur überprüft die Vorfälle während der Kälteperiode Anfang des Jahres. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung hatte die Bundesnetzagentur angesichts der anhaltenden Unterdeckung im Stromnetz die gesamte vorgehaltene Elektrizität einsetzen müssen, so dass im Störfall „keine Regelleistung mehr verfügbar“ gewesen wäre. (SZ vom 17.2.12 „Zocken bis die Lichter ausgehen.“)

Am Beispiel des Stromausfalls im Münsterland am 25.11.2005 dokumentierten die Experten beim Herdecker Workshop, dass ein Ausfall der Stromversorgung verheerende Folgen für die Bevölkerung haben würde. Dieser Teil der Infrastruktur sei „einer der anfälligsten Bereiche der Gesellschaft“ und stelle somit einen sicherheitsrelevanten Faktor dar. Institutionen des Bevölkerungsschutzes müssten im Falle eines Stromausfalles einer doppelten Herausforderung begegnen: Den Gedanken des vernetzten Katastrophenschutzes könne man beim Stromausfall als „Trugbild der Lösungsmöglichkeiten“ bezeichnen, betonte Dr.? Thomas Petermann, ehemaliger stellvertretender Leiter des Büros für Technikfolgen-Abschätzung des Deutschen Bundestages. Die zunehmende Vernetzung von Instrumenten der Informations- und Kommunikationstechnologie verstärke die Abhängigkeit des Katastrophenschutzes vom Strom, so Petermann. Er legte eine Studie vor, nach der die Informations- und Kommunikationstechnologien die höchste „Kritikalität“, also das höchste Maß an Bedeutung für andere Sektoren im Falle eines Ausfalles aufweist.

Im Workshop wurden auch mögliche Folgeeffekte wie beispielsweise die Lebensmittelversorgung behandelt. Allein die Handelskette Plus bediente im Jahr 2008 beispielsweise ca. 2,6 Mio. Menschen am Tag, so Dr.? Helmut Grimm, Sonderbeauftragter der Tengelmann Gruppe und dokumentierte damit die Abhängigkeit von der Logistik der Lebensmittelversorgung. „Das ist das Paradoxe des Fortschritts: Je entwickelter unsere Gesellschaft ist, desto komplexer sind ihre Abhängigkeitsstrukturen von kritischen Infrastrukturen und damit auch von der Stromversorgung“, so Dr.? Grimm. Hinzu komme, dass die Privatwirtschaft ihre eigenen Ziele verfolge, die eher in einer auf Effizienz ausgelegten „Just in Time“-Logistik lägen als in der Versorgungssicherheit.

Eine weitere Schwierigkeit, die Grimm mit den Worten „Keiner weiß nichts Genaues“ umschrieb, liegt in der Tatsache, dass die meisten Firmen sich ungern in die Karten schauen lassen, wenn es um Ihre Sicherheitsvorsorge geht.

Prof. Dr.? Hans-Jürgen Lange, Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaft, Sicherheitsforschung und Sicherheitsmanagement an der UW/H, hob die Notwendigkeit der frühzeitigen Kooperation der Akteure hervor, die nicht erst nach Eintritt des Ereignisses auf die Beine gestellt werden dürfe: „Der Informationsaustausch muss ständig stattfinden, alle Ebenen müssen im Austausch zueinander stehen“. Er regte außerdem an, das Verhalten der Bevölkerung in Notsituationen zu erforschen „denn die Bevölkerung ist keine homogene Gruppe. Das Verhalten wird sich nach unterschiedlichen Kriterien richten“. Das Sicherheitsforschungsprogramm der Bundesregierung leiste hier einen wichtigen Beitrag, Schwachstellen innerhalb der Gefahrenabwehr aufzuzeigen und Lösungsmodelle zu erarbeiten.

Das Forschungsprojekt „Prioritätenbildung bei Rettungsmaßnahmen“ beschäftigt sich u.a. mit verschiedenen Szenarien wie beispielsweise Stromausfall, Pandemie oder Terroranschlägen und den Auswirkungen auf die Sicherheit sowie die Koordinationsfähigkeit zwischen Bund und Ländern bei schweren Schadenslagen. Projektpartner sind das Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes, das Innenministerium Sachsen-Anhalt, die Behörde für Inneres und Sport der Freien und Hansestadt Hamburg sowie die Branddirektion Frankfurt am Main. Wissenschaftlicher Projektpartner ist der Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Staatslehre und Verfassungsgeschichte (Prof. Dr.? Christoph Gusy) der Universität Bielefeld.

END/nna/ung

www.uni-wh.de/universitæt/presse/presse-details/artikel/stromausfall-und-dann/


www.sueddeutsche.de/wirtschaft/stromhændler-gefæhrden-energieversorgung-gier-bis-zum-blackout-1.1285557

Bericht-Nr.: 120302-03DE Datum: 2. März 2012

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