Nachrichtenbeitrag

Medienschaffende im Visier autoritärer Regime

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Von NNA-Mitarbeiter

2022 wurden so viele Journalisten wie noch nie inhaftiert – Im Iran waren besonders auch Frauen betroffen.  Diese traurige Bilanz zieht die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ in ihrem Jahresbericht.

BERLIN (NNA) – Die Zahl inhaftierter Medienschaffender ist 2022 auf ein Rekordhoch angestiegen, mindestens 533 Journalistinnen und Journalisten saßen wegen ihrer Arbeit im Gefängnis – so viele wie nie zuvor, schreibt die Organisation “Reporter ohne Grenzen“ (RSF) in ihrer Jahresbilanz zur Pressefreiheit.

Mehr als die Hälfte der Gefangenen sei in nur fünf Ländern inhaftiert: China, Myanmar, Iran, Vietnam und Belarus. Neu in dieser Gruppe sei der Iran, wo nach dem Ausbruch der landesweiten Proteste nach Angaben von RSF derzeit 47 Medienschaffende im Gefängnis sitzen.

2022 sind weltweit zudem mindestens 57 Medienschaffende wegen ihrer Arbeit getötet worden, fast 19 Prozent mehr als im Vorjahr. Einer der Gründe für diesen Anstieg sei der Krieg in der Ukraine, wo acht Medienschaffende starben.

„Die Rekordzahl inhaftierter Medienschaffender zeigt, dass autoritäre Regime verstärkt dazu übergehen, unliebsame Journalistinnen und Journalisten einfach wegzusperren. In den meisten Fällen machen sie sich nicht einmal die Mühe, sie vor Gericht zu bringen“, sagte RSF-Vorstandssprecherin Katja Gloger. Hinter den 533 inhaftierten Medienschaffenden stünden „Schicksale von mutigen Journalistinnen und Journalisten, die für kritische Recherchen große Risiken eingehen und teils unter unmenschlichen Bedingungen im Gefängnis ausharren müssen.“

In keinem Land sitzen mehr Journalistinnen und Journalisten im Gefängnis als in China (110), wo Zensur und Überwachung ein extremes Ausmaß angenommen haben, betont RSF. Gemessen an der Bevölkerungsgröße sind jedoch in Myanmar (62) mit Abstand die meisten Journalistinnen und Journalisten inhaftiert. In dem südostasiatischen Land sei „Journalismus inzwischen faktisch eine Straftat“, wie die große Zahl der nach dem Militärputsch vom Februar 2021 verbotenen Medien zeige. In Vietnam (39) hat sich die Zahl der inhaftierten Medienschaffenden innerhalb von fünf Jahren verdoppelt. In Belarus zählte RSF in den vergangenen zwei Jahren mehr als 500 Festnahmen, 31 Medienschaffende sitzen immer noch hinter Gittern.

Hartes Durchgreifen gegen Medienschaffende

Aber auch in Russland greife das Regime seit dem Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 hart durch. Die meisten der im Land verbliebenen Medienschaffenden seien gezwungen, angesichts der drakonischen Strafen im Untergrund zu arbeiten: Wenn sie „falsche Informationen“ über die russische Armee verbreiten, drohten ihnen bis zu 15 Jahre Gefängnis. Mindestens 18 Medienschaffende sind derzeit inhaftiert, darunter auch acht aus der Ukraine. Sie waren auf der Krim verhaftet worden, die Russland 2014 annektiert hat und die nun russischem Recht unterliegt.

Nur etwas mehr als ein Drittel der inhaftierten Medienschaffenden weltweit wurde verurteilt, schreibt RSF. Knapp 64 Prozent sitzen ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis; manche von ihnen warten seit mehr als 20 Jahren auf ihren Prozess.

Auch die Zahl der inhaftierten Journalistinnen ist 2022 erneut auf ein Rekordhoch angestiegen. Derzeit sitzen mindestens 78 Journalistinnen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit im Gefängnis, rund 28 Prozent mehr als zum gleichen Zeitpunkt im vergangenen Jahr. Mehr als 70 Prozent der inhaftierten Journalistinnen sitzen in vier Ländern im Gefängnis, die auf der Rangliste der Pressefreiheit die unteren Plätze belegen: In China (Rang 175) sitzen 19 weibliche Medienschaffende in Haft, im Iran (Rang 178) 18, in Myanmar (Rang 176) 10, in Belarus (Rang 153) 9.

Im Iran zeige die hohe Zahl der inhaftierten Journalistinnen, dass „die Behörden Frauen systematisch zum Schweigen bringen wollen“. Besonders besorgniserregend seien die Schicksale von Nilufar Hamedi und Elahe Mohammadi. Nach ihrer Verhaftung im September sind beide nun wegen „Propaganda gegen das System und Verschwörung gegen die nationale Sicherheit“ angeklagt, worauf die Todesstrafe steht.

Nach zwei Jahren Abwärtstrend ist die Zahl der im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getöteten Journalistinnen und Journalisten 2022 wieder gestiegen. Im Jahr 2022 kamen 57 Medienschaffende ums Leben, fast 19 Prozent mehr als im Vorjahr. Einer der Gründe für diesen Anstieg ist die russische Invasion in die Ukraine, die in diesem Jahr mit acht getöteten Medienschaffenden das zweitgefährlichste Land weltweit für Medienschaffende wurde. Prominente Fälle sind der ukrainische Fotograf Maxim Lewin, der nach Erkenntnissen von RSF am 13. März gezielt von russischen Soldaten erschossen wurde, und der französische Videoreporter Frédéric Leclerc-Imhoff, der auf dem Weg zu Dreharbeiten in der Ostukraine durch einen Granatsplitter getötet wurde.

Gezielte Ermordung

Mit fast 65 Prozent kam die Mehrzahl der 2022 getöteten Journalistinnen und Journalisten jedoch außerhalb von Kriegsgebieten ums Leben. Auch ihr Anteil sei gestiegen, was zum einen daran liege, dass Medienschaffende nach der Aufhebung der Reisebeschränkungen aufgrund der Pandemie wieder verstärkt vor Ort berichteten. Zum anderen gelinge es mehreren Staaten nicht, die bei ihnen grassierende Gewalt einzudämmen und Medienschaffende zu schützen. Allein in Mexiko wurden mindestens elf Journalistinnen und Journalisten ermordet. Der amerikanische Doppelkontinent war die gefährlichste Region für Journalistinnen und Journalisten: Fast die Hälfte aller getöteten Medienschaffenden kam dort ums Leben.

Knapp 80 Prozent aller 2022 getöteten Journalistinnen und Journalisten wurden aufgrund ihrer Arbeit gezielt ermordet. Besonders gefährlich waren, wie schon in den Vorjahren, Recherchen zu den Themen organisiertes Verbrechen und Korruption.

END/nna/ung

Bericht-Nr.: 221223-03DE Datum: 23. Dezember 2022

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Mehr als die Hälfte der gefangenen Medienschaffenden sind in diese Länderninhaftiert. (Foto: Reporter ohne Grenzen)