Nachrichtenbeitrag

Meditationsbilder als ruhender Pol im Trubel der Zeit

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Von NNA-Korrespondentin Cornelie Unger-Leistner

Eine ungewöhnliche Ausstellung in der Mainzer Kunsthalle zeigt erstmals einen Überblick über das Werk von Olga Froebe-Kapteyn. Sie erlangte in erster Linie Berühmtheit durch die Eranos-Tagungen.

Mainz (NNA) – Eine ungewöhnliche Ausstellung erwartet Kunstliebhaber in diesem Sommer in der Kunsthallte Mainz: Olga Froebe-Kapteyn – Tiefes Wissen – zeigt zum ersten Mal umfassend das Werk der Forscherin, Künstlerin und Mystikerin Froebe-Kapteyn, deren Namen in erster Linie mit den Eranos Tagungen in Asonca/Schweiz verbunden wird. Ihr bildnerisches Schaffen werde in den vergangenen Jahren wiederentdeckt, heißt es im Begleitheft der Kunsthalle. Ergänzt wird die Ausstellung durch Werke von fünf zeitgenössischen Künstler und Künstlerinnen, die sich – wie Froebe-Kapteyn – ganzheitlichen Weltanschauungen verpflichtet fühlen.

Wie auch Froebe-Kapteyn thematisierten sie „Kunst als Werkzeug von Forschung, Heilung und Kommunikation“, so das Begleitheft. Monia Ben Hamouda, Kerstin Brätsch, Hylozoic/Desires (Himali Sing Soin & David Tappeser), Montain River Jump! Und Sriwhana Spong “schaffen in ihren Arbeiten Räume und Erzählungen, in denen sie zu Begegnungen mit ... alternativen Formen von Wissen einladen“. Die Ausstellung sieht sich von daher in einem Kontext gegenwertiger Diskussionen um eine lebenswerte und gerechtere Zukunft, die Dogmen herausfordere und neues Wissen produziere, Wissen, das sich an ganzheitlichen Weltanschauungen oder den Wissensystemen verschiedener Kulturen orientiere. Zentral sei auch ein Blick in die Geschichte, „um darin freizulegen, was vergessen, übergangen oder ausgelöscht wurde“.

Auch das Werk von Olga Froebe-Kapteyn sei ein Beispiel für „Aussenseiter*innenkunst“, die keinen Platz gefunden hat im allgemeinen Kunstdiskurs. 60 Werke aus dem Werkkörper der sogenannten Meditationsbilder umfasst die Ausstellung sowie ausgewählte Beispiele ihrer Visions-Serien, die eine Art psychologisches Tagebuch darstellen und auf der Basis der Aktiven Imagination der analytischen Psychologie nach Carl Gustav Jung entstanden sind. Froebe-Kapteyn (1881 – 1962) setzte sich in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg intensiv mit Theosophie und ostasiatischer Philosophie auseinander, davon zeugen die Meditationsbilder.

Wie sie genau genutzt wurden, ist nicht bekannt, es gibt allerdings noch vieles im Nachlass von Froebe-Kapteyn, das nicht erschlossen ist. Ihre Visionen entstanden in Austausch mit C.G. Jung, der auch Gast beim interdisziplinären Forum Eranos in Ascona war, das Froebe-Kapteyn 1933 ins Leben gerufen hat. Insgesamt umfasst ihr bildnerisches Oevre rund 500 Werke. 1978 wurden einzelne Meditationstafeln in der Monte Verità Ausstellung von Harald Szeemann gezeigt, erst 2015 waren sie dann wieder in Mailand öffentlich zu sehen in der Ausstellung La Grande Madre in der Fundazione Trussardi, kuratiert von Massimiliano Gioni.

Heilende Kunst

Konzipiert wurde die Mainzer Ausstellung ist Yasmin Afschar, die die Mainzer Kunsthalle während der Elternzeit von Direktorin Stefanie Böttcher leitet. Sie wollte sich mit einem Konzept von Kunst befassen jenseits von L’art pour l’art, Kunst nur um ihrer selbst willen, meinte Afschar dazu in einem Interview. Deswegen habe sie der Ansatz von Froebe-Kapteyn, Kunst eine heilende Wirkung zuschreibe, interessiert.

Dies können die Besucher nun anhand der Arbeiten von Olga Froebe-Kapteyn in der Mainzer Kunsthalle selbst ausprobieren. Mit ihrem geometrischen, strengen Stil und der sparsam verwendeten Farbe vermitteln die Meditationstafeln einen Eindruck von Ruhe und Konzentration – ein willkommenes Gegengewicht zu den Turbulenzen und Krisen der Zeit.

Die Visionen beziehen sich auf die Archetypenlehre von C.G. Jung. Zu den Archetypen hat Olga Froebe-Kapteyn eine Sammlung von Bildern aus vielen Kulturen zusammengetragen, sie umfasst mehr als sechstausend Bilder und ist im Archive for Research in Archetypal/Symbolism des Warburg Institut in London zu finden.

Ihre eigenen Bildern haben ihre Heimat in der Villa Gabriella in Ascona am Lago Maggiore, dort hat Froebe-Kapteyn auch die Eranos-Tagungen ins Leben gerufen. Bis heute finden dort jährlich internationale Konferenzen statt, die sich durch einen interdisziplinären Dialog auszeichnen der neben der analytischen Psychologie auch östliches Denken einbezieht.

Froebe Kapteyn wurde 1881 als Tochter niederländischer Eltern in London geboren. 1900 zog die Familie nach Zürich, wo Froebe-Kapteyn die Kunstgewerbeschule besuchte, dann studierte sie Kunstgeschichte. Nachdem ihr Mann bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam, zog sie mit einer Tochter nach Ascona. Eine zweite Tochter war den Euthanasiemorden in Nazi-Deutschland zum Opfer gefallen. Aufgrund einer Vision begann Froebe-Kapteyn mit den Eranos-Tagungen. Zusammen mit der britischen Theosophin Alice Ann Bailey gründete sie in Ascona auch eine Schule für spirituelle Forschung. C.G. Jung wurde ihr zum wichtigen Weggefährten. Froebe-Kapteyn verbrachte den Großteil ihres Lebens in der Schweiz und starb 1962 in Ascona. Sie war auch Herausgeberin der Eranos-Jahrbücher.

Die Ausstellung in der Kunsthalle Mainz ist noch bis zum 17. September zu sehen.

END/nna/ung

Bericht-Nr.: 230814-02DE Datum: 14. August 2023

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Olga Fröbe-Kapteyn: The Portal of Initiation, Ohne Titel, 1926-34. Eranos Foundation, Ascona, Foto Kunsthalle Mainz/Norbert Miguletz
Olga Fröbe-Kapteyn: von außen, gegen den Uhrzeigersinn: Trasmutation of Pain, Ohne Titel, The Hill of Vision, Meditation, Planeten-Tanz, The Indwelling Presence, Ohne Titel, 1926–34. Eranos Foundation, Ascona, Foto: Kunsthalle Mainz/Norbert Miguletz
Sriwhana Spong: Instrument I (Sevgi und Bengisu), 2022. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers und von Michael Lett. Foto: Kunsthalle-Mainz/Norbert Miguletz
Mountain River Jump!: Yijing (I Ching) • Mandala, 2023. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerinnen, Foto: Kunsthalle Mainz/Norbert Miguletz
Monia Ben Hamouda: About Telepathy and other Violences (Aniconism as Figuration Urgency), Releasing (Aniconism as Figuration Urgency), “In order to me to write poetry that isn’t political, I must listen to the birds, and in order to hear the birds, the warplanes must be silent” (Flying jinn). Alle Werke: 2023. Mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin und ChertLüdde, Berlin, Foto: Kunsthalle Mainz/Norbert Miguletz