Nachrichtenbeitrag

„Nicht tatenlos zusehen, wie das Mittelmeer zum Friedhof wird“: Flüchtlingskrise im Mittelmeer

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Von NNA Mitarbeiter

BERLIN/BRÜSSEL (NNA) – Mehr als 158.000 Bundesbürger haben bisher auf der Petitionen Plattform Campact einen Appell an die Bundesregierung, das Europäische Parlamen und den Europäischen Rat unterschrieben, der eine Fortsetzung der Seenotrettungsaktion Mare Nostrum für die Flüchtlinge im Mittelmeer fordert.

Sie soll unter gesamteuropäischer Verantwortung stehen, alternativ wird der Aufbau einer zivilen europäischen Seenotrettung befürwortet. Die Mittel für diese Maßnahmen sollen umgehend bereitgestellt werden.

„Europa darf nicht tatenlos zusehen, wie das Mittelmeer zu einem Friedhof wird. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen auf der Flucht vor Not und Elend vor unserer Haustür ertrinken“, heißt es in der Begründung. Es sei beschämend, dass die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete EU bisher nicht bereit war, die Kosten für die Fortsetzung von Mare Nostrum zu übernehmen.

Die Operation Mare Nostrum der italienischen Marine zur Seenotrettung afrikanischer Flüchtlinge endete am 31.10.2014. Die seit dem 1. November 2014 durchgeführte Operation Triton der EU-Grenzagentur FRONTEX könne Mare nostrum in keiner Weise ersetzen, denn sie habe als primäre Aufgabe die Sicherung der EU-Außengrenze vor illegaler Einwanderung, heißt es in der Petition weiter.

Ihr Einsatzgebiet sei außerdem nicht auf hoher See, sondern im Wesentlichen auf küstennahe Bereiche beschränkt und ihr Budget betrage nur ein Drittel der finanziellen Mittel, die für Mare Nostrum aufgewandt worden seien.

Die Petition richtet sich an Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz und an den Präsidenten des Europäischen Rats Donald Tusk. Gestartet wurde die Unterschriftenaktion von Dr. Anne Schulze Everding, einer Kinderärztin aus Münster/Westfalen.

EU-Gipfel

Am Donnerstag beriet ein EU Sondergipfel des Europäischen Rats die Flüchtlingskrise im Mittelmeer. In einer Erklärung  verpflichteten sich die EU Staats- und Regierungschefs „alles in ihrer Macht Stehende unternehmen, um den Verlust weiterer Menschenleben auf See zu verhindern und die eigentlichen Ursachen der menschlichen Katastrophe, der wir gegenüberstehen, gemeinsam mit den Herkunfts- und Transitländern zu bekämpfen.” Ihre unmittelbare Priorität sei es, zu verhindern, dass noch mehr Menschen auf See ums Leben kommen.

Der Gipfel beschloss u.a. die Mittel für die EU-Operationen Triton und Poseidon zu verdreifachen. Damit wird jedoch nur das Niveau der Vorgängermission Mare Nostrum erreicht. Auch wollen die Staats- und Regierungschefs gegen die Schlepper vorgehen und die Flüchtlingsschiffe vor ihrem Einsatz ausmachen, beschlagnahmen und zerstören und “irreguläre Migrationsströme” unterbinden. Anstrengungen sollen unternommen werden, um Konflikten und Instabilität, die wesentliche Auslöser von Migration seien, zu begegnen.

Von Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen wurden die EU-Maßnahmen als zu wenig und verfehlt kritisiert. „Echte Lösungen hätten heute beschlossen werden können,“ meinte Amnesty International in einer Pressemitteilung. „Niemand sollte sich täuschen. Das ist nicht geschehen.“ Das Versäumnis das Einsatzgebiet von Triton auszuweiten würde die Versprechen des Gipfels verhängnisvoll unterminieren.

Der Dachverband  für Flüchtlingsorganisationen in Europa „ecre“ zeigte sich tief besorgt darüber, dass die Antwort des Europäischen Rates auf die Flüchtlingskrise im Mittelmeer sich wieder hauptsächlich darauf beschränke zu verhindern, dass Migranten und Flüchtlinge Europa erreichen. Die Beschlüsse gingen nur die Symptome, nicht jedoch die humanitäre Krise selbst an.

Das UN Flüchtlingshilfswerk UNHCR stufte die EU-Maßnahmen als einen ersten wichtigen Schritt ein, warnte jedoch, “dass ohne realistische und substanzielle Alternativen für Flüchtlinge, auf legalem Weg nach Europa zu kommen, die Bekämpfung von Schleppern und Menschenhändlern nicht wirkungsvoll sein wird.”

See-Watch

Der Brandenburger Geschäftsmann Harald Höppner hat zur Rettung von Flüchtlingen jetzt die private Initiative See-Watch gestartet. Er wird Presseberichten zufolge in dieser Woche mit einem instandgesetzten Kutter in Richtung Malta auslaufen. Der Kutter wurde von der Initiative bereits im November gekauft und mithilfe von knapp hundert Freiwilligen seetüchtig gemacht.

Die Besatzung besteht ebenfalls aus Freiwilligen, einem Kapitän und sechs Bootsleuten. An Bord des Kutters, der zur Rettung selbst zu klein ist, sind Rettungsinseln für 500 Personen, außerdem eine Satelitenanlage sowie Kameras, mit denen Rettungsaktionen live gestreamt werden sollen. Der Kutter soll in dieser Woche von Harburg aus in See stechen.

Höppner war am Sonntagabend in der Talkshow von Günther Jauch im ARD-Fernsehen zu Gast. Dort unterbrach er den Moderator gleich nach seiner Vorstellung mit dem Hinweis, bei dem Thema gebe es nichts zu Diskutieren. Er rief die Anwesenden der Talkshow zu einer Schweigeminute für die über 700 Opfer der aktuellen Flüchtlingstragödie im Mittelmeer auf. Die Anwesenden, auch die Talkshow-Teilnehmer folgten seinem Aufruf und erhoben sich zu einer Schweigeminute im Gedenken an die Toten von ihren Sitzen.

„Wenn wir nur einen Menschen retten, hat sich unsere Aktion schon gelohnt“, sagte Höppner dem Berliner Tagesspiegel.

END/nna/ung/cva

Bericht-Nr.: 150424-04DE Datum: 24. April 2015

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Die Operation Triton hat Mare Nostrum nicht ersetzen können.
Die EU-Sondergipfel am Donnerstag zur Flüchtlingskrise beginnt mit einer Schweigeminute an die im Mittelmeer umgekommenen Flüchtlinge.<br>Fotos: Rat der Europäischen Union