Nachrichtenbeitrag

Pandemie belegte hohen Nutzen von Wohnprojekten

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Von NNA-Mitarbeiter

Der gesellschaftliche Mehrwert von neuen Wohnformen hat sich während er Pandemie deutliche gezeigt, das zeigen erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts aus München und Regensburg. Der Handlungsspielraum in dieser Hinsicht der Kommmunen sei jedoch relative beschränkt.  

HATTINGEN/MÜNCHEN/REGENSBURG  (NNA) – Der gesellschaftliche Mehrwert von neuen Wohnformen wie z.B. Wohnprojekten hat sich während der Pandemie deutlich gezeigt – so die erste Einschätzung eines Forschungsprojekts mit dem Namen WellCare, das die Frauenakademie München (FAM) im Verbund mit der der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg) durchführt.

Das Projekt, das sich gegenwärtig in der Auswertungsphase befindet, stellt Stiftung Trias in ihrem neuesten Newsletter vor im Gespräch mit Sandra Eck, eine der Projektverantwortlichen von der FAM.

Menschen um sich zu haben, die gegenseitig "Alltagscare" , d.h. Fürsorge füreinander übernähmen, erweise sich gerade in krisenhaften Situationen als besonders wertvoll, betont Eck. Während der Lockdowns konnten das beispielsweise Tätigkeiten sein wie füreinander einzukaufen. Aber auch Gemeinschaftsflächen wie Werkräume oder eine Großküche in den Projekten hätten in der Pandemie einen ganz neue Bedeutung bekommen.

Neue Konzepte des Wohnens seien oftmals „motiviert von der Vision von einem besseren, nachhaltigeren, solidarischeren Leben“, schreibt die Stiftung Trias dazu. Die Projekte gelten als Experimentierräume, um Entwicklungen wie der Alterung der Gesellschaft, veränderten Familienstrukturen und Rollenbildern mit innovativen Lösungsansätzen zu begegnen. Ein wichtiges Thema dabei sei die Sorgearbeit, in der Wissenschaft als "Care-Arbeit" bezeichnet.

Die Verantwortung für das eigene Kind zu tragen, sich auch um Kinder von Mitbewohnern zu kümmern, Freunden in Krisenzeiten emotionale Zuwendung zu geben oder einfach den ganz normalen, alltäglichen Haushalt bewältigen: all diese Tätigkeiten trügen dazu bei, Teilhabe und Gemeinwohl von der Kindheit bis ins hohe Alter zu sichern. Fast jeder sei irgendwie in Care-Arbeit involviert, diese sei oft  ungleich verteilt, betont die Stiftung.

Angesichts dessen stellten sich viele Menschen, die in gemeinschaftlichen Wohnformen lebten, die Frage: Wie können wir in unserer Gemeinschaft so füreinander da sein, dass alle profitieren? Und wie können wir die Sorgearbeit möglichst gerecht verteilen?

Bessere Verteilung von Care-Arbeit

Antworten darauf will das Forschungsprojekt WellCare finden, das Anfang 2020 gestartet. Es gliedert sich in zwei Teile, die unterschiedliche Aspekte von neuen Wohnformen und Care untersuchen.

Wie innerhalb von kollektiven Wohnprojekten Sorgearbeit praktisch organisiert und gestaltet wird, wird im Teilprojekt der Frauenakademie München erforscht. Beobachtungen und Interviews in Wohnprojekten sollten ein zentraler Baustein der Erhebung sein. Da der Start des Forschungsprojekts mit dem Beginn der Corona-Pandemie zusammenfiel, war zunächst der Einfallsreichtum der Forscher und Forscherinnen gefordert, um ihre Methodik den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen.

Untersucht wird auch die Frage, inwiefern gemeinschaftliche Wohnprojekte eine geschlechtergerechte Verteilung von Care ermöglichen oder fördern können. Bei der Bewertung der Ergebnisse komme es, so die Projektverantwortliche Sandra Eck, auf die Betrachtungsebene an. So fördere die basisdemokratische Alltagskultur, die in praktisch allen gemeinschaftlichen Wohnformen gelebt werde, tatsächlich eine bessere Verteilung von Care-Arbeit im Alltag, weil Aufgabenteilungen stärker ausgehandelt und Regeln festgelegt werden. Ebenso trage dazu bei, dass Wohnprojekte oft einen positiven Raum für vielfältige Beziehungsformen und Geschlechtsidentitäten schaffen. Wer am Ende welche Care-Aufgabe übernimmt, sei zwar trotzdem etwas geschlechtlich vorstrukturiert ("Wer wartet die Heizung? Wer backt einen Kuchen für die Adventsfeier?").

Solange die Gesamtkultur im Projekt stimme, sei die Aufgabenverteilung im Detail für die beteiligten Personen aber vielleicht gar nicht so bedeutungsvoll, betont Eck. Sie hebt hervor, dass der positiven Tendenz in den Projekten die strukturelle Rahmung z.B. in Form gesetzlicher Regelungen entgegenstünden, die noch stark am Modell der Kleinfamilie ausgerichtet seien. Hier bräuchte es Anpassungen und neue Instrumente, um der tatsächlich existierenden Vielfalt an Care-Gemeinschaften gerecht zu werden.

Grenzen kommunalen Spielraums

Inwieweit sich Kommunen mit neuen Konzepten zur Verknüpfung von Wohnen und Care befassen und diese in der kommunalen Praxis umsetzen, sind die zentralen Fragen des zweiten Teilprojekts von WellCare unter Federführung der OTH Regensburg.

Erste Ergebnisse zeigen, dass der Handlungsspielraum der Kommunen relativ gering ausfällt – einerseits, weil die Kompetenzen für die relevante Gesetzgebung auf anderen föderalen Ebenen liegen, andererseits, weil der Mangel an kommunalem Flächenbesitz die Steuerungsmöglichkeiten stark einschränkt. Hinzu kommen laut den bisherigen Auswertungen der Studienergebnisse Barrieren durch abgegrenzte Ressort-Logiken, an denen die Förderung von Schnittstellen-Themen wie gemeinschaftlichem Wohnen und Care häufig scheitert. Allerdings, so Sandra Eck, finde zugleich in manchen Kommunen eine Hinwendung zur Förderung gemeinschaftlicher Wohnformen statt – z.B. durch die Vergabe von Flächen im Konzeptverfahren oder die Einrichtung von Beratungsstellen.

Anfang 2024 soll ein Sammelband erscheinen, dessen Beiträge auf unterschiedliche Facetten des Forschungsprojekts ausführlich eingehen.

Die Stiftung trias wurde 2002 gegründet, sie wird von über 180 Stiftern und Stifterinnen gefördert. Boden, Ökologie und gemeinschatliches Wohnen sind die Themen der Stiftung, die sich als „fachlich orientierte Bürgerstiftung“ versteht. Sie erwirbt und entzieht Grundstücke der Spekulation und führt sie mittels Erbbaurecht dauerhaft einer sozialen und ökologischen Nutzung zu. Damit ermöglicht und sichert sie innovative Projekte des Wohnens und Arbeitens.

END/nna/ung

Bericht-Nr.: 230202-01DE Datum: 2. Februar 2023

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Foto: https://forschungsprojekt-wellcare.de