Nachrichtenbeitrag

Schritte der Veränderung hin zur Zukunft

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Von NNA-Korrespondentin Edith Willer-Kurtz

Soziale Zukunft war das Thema der Jahresversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft in Bochum. Die rund 800 Teilnehmer tauschten sich aus über „Offenheit wagen, Verantwortung leben, Zusammenarbeit gestalten“.

BOCHUM (NNA) – Soziale Zukunft, Offenheit wagen, Verantwortung leben, Zusammenarbeit gestalten, so lautete die Einladung zum RuhrCongressCentrum.

Rund 800 Menschen waren gekommen zum lebendigen Austausch, Kennenlernen, Unterrichtet werden über Zu- und Umstände und deren Möglichkeiten, um weitere Schritte in die soziale Zukunft zu machen. Veranstaltet hatte den Kongress die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland, vertreten waren auch einzelne Partner, unter anderem Demeter e.V., die GLS Bank, der Bundesverband für anthroposophisches Sozialwesen Anthropoi und die Gesundheitsverbände DAMID, und Gesundheit aktiv. Im Vorfeld hatten sich etwa 20 Menschen zu Gesprächen getroffen und Schritte in Richtung Zukunft entwickelt, deren Organisation in den drei Tagen ein hoher Gewinn werden konnte.

Auffallend im Vergleich zu den letzten Jahresversammlungen waren viel mehr junge Menschen dabei, die als Sozialkunst-Ensemble „Künstlernotizen“ präsentierten.

Der Kongress wollte anfangs als Experiment verstanden werden, es gibt Impuls-Motive: „Können wir aus dieser Gesellschaft heraus ein Zeichen setzen, bei der die Innenseite mit dabei sei“, begann Generalsekretär Michael Schmock, immer mit der Frage verbunden, wo stehe ich selber. „Um sich einzubringen brauche es einen Resonanzboden“, stellte Schmock fest, so ist der Kongress ein wertvoller Boden, wo Einzelne mit unterschiedlichen Themen mitteilbar werden. Für die ca. 800 Teilnehmer waren etwa 50 Arbeitsgruppen installiert, je nach Interesse der einzelnen, innerhalb und außerhalb des Kongresszentrums.

Gerhard Häfner, Ex-Abgeordneter in Bundestag und Europaparlament, der auch von seinem Werdegang als Politiker, Mitbegründer der Grünen erzählte und jetzt Leiter der Sektion für Sozialwissenschaften am Goetheanum in Dornach ist, betonte die Bedeutung der Dreigliederung: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Er bekannte: „Mit der Aufgabe stehen wir jetzt da und haben sie noch nicht gelöst, aber die Sehnsucht danach wächst. Wir selbst müssen es tun!“

In Kurzreferaten bekam der Zuhörer Einblick zu unterschiedlichen Leben, zu Fragen der Moderatoren, nach Schlüsselmomenten, Vorbildern und Aktionsimpulsen: „Wie erkennt man, dass man von der Gemeinschaftsbildung jetzt in die Gesellschafsbildung komme“, war ein Anliegen.

Sinn erkennen

Barbara Schiller von der Organisation StART international, die in der Flüchtlingsproblematik vor Ort im Einsatz ist, sagte: Im Durcheinander, wenn alles zerstört ist – in einem solchen Umfeld muss man Sinn erkennen, therapeutisch wird dann nach ihrer Erkenntnis im heilsamen Umgang mit Kindern gearbeitet. Der gemeinsame Dialog mache es möglich, Gemeinsames zu schaffen.

Janis Mc David kam auf die Bühne gefahren, da er ohne Arme und Beine geboren wurde. In einer besonderen Lebendigkeit erzählte er seine Entwicklung. Eine wichtige Voraussetzung wäre es, sich so anzunehmen wie man sei. Er berichtete, wie er bei der Betrachtung der Nachteile die Vorteile sucht und sein Gehirn darauf programmiert, sich auf das Positive zu konzentrieren. Sein Muster sei auch, alles in Frage zu stellen. Er motiviert in Vorträgen Menschen in ganz Deutschland und erzählt in seinem Buch Dein bestes Leben davon, wie es gelingt, unter widrigsten Umständen Chancen zu ergreifen und positiv nach vorne zu blicken.

 Im seinem Vortrag zu „Verantwortung Leben“, ging es Dr. Stefan Schmidt Troschke von Gesundheit aktiv e.V. darum, anzuklagen, dass durch die Rahmenbedingungen bei der Verweildauer in Krankenhäusern in einem geregelten System dem Patienten die Disposition für den eigenen Körper zunehmend abgenommen werde. Auf die Frage, wann ist man gesund, war seine Antwort: „Gesund ist man, wenn man die Zukunft meistert.“ Sich in Grüppchen gemeinschaftlich für die Welt zu interessieren, ist ein Vorschlag von ihm.

Bei der Anregung einer Erarbeitung einer „Bochumer Erklärung“ waren Teilnehmer an Tischen damit beschäftigt, Missstände in Vorstellungen zur Verbesserung zu sammeln. Vorläufig wurden diese Wünsche in die Birkenzweige gehängt und von dort zur weiteren Bearbeitung bewahrt. So sollen Botschaften von diesem Kongress ausgehend nach außen gebracht werden.

Lebensmodelle

Niko Paesch, der Plurale Ökonomik an der Universität Siegen lehrt und sich für Postwachstumsökonomie einsetzt, sagte zusammenfassend: Um das Vorleben zu verwandeln, brauche es Übung und Disziplin. Dabei komme es schon auch dazu Lebensmodelle den Politischen entgegen zu stellen. Wichtig sei es bei der Produktion auch die Wirkung mitzudenken. Es gäbe zu viele Güter, die Zeit sei knapp, die Beschleunigung sei der Totschlag des Genusses, so Paesch.

Seine Forderungen: Mehr Regionalökonomie, die Nutzungsdauer der Endgeräte zu verbessern, Gemeinschaftsnutzung von Gebrauchsgütern und technischen Geräten. Bei dieser Lebensführung sei Vollbeschäftigung nicht mehr gewährleistet, die übrige Zeit könne für die lokale Selbstversorgung gelten, Beispiele dazu sind Gemeinschaftsgärten. Upcycling und ReUse sind weitere Schlagworte, die in der Zukunft gelebt notwendig werden.

Thomas Jorberg, der mit der GLS Bank „eine Wirtschaft mit Sinn“ gestaltet, sprach sich dafür aus, dass das Geld dorthin kommt, wo es gebraucht wird, um ganzheitliche Bedürfnisse der Menschen ganzheitlich zu befriedigen. Er erläuterte, dass global zuviel Geld vorhanden ist, das nicht da sei , wo es gebraucht werde.

Eine Sequenz des Kongresses war dem Thema „Frieden stiften“ gewidmet.

Referent war Dr. Ha Vinh Tho, Leiter des Zentrums für Bruttonationalglück im Himalaya-Staat Bhutan, dem Gross National Happiness Center. In Zeiten des Vietnamkriegs aufgewachsen mit einem vietnamesischen Vater und einer französischen Mutter, war Ha Vinh Tho jahrelang in Kriegs- und Krisengebieten tätig. Er resümierte die Aufgabe des Friedenstiftens so: „Der Friede müsse im Geiste der Menschen verankert sein“.

Perspektiven

Jonannes Stüttgen, unter anderem Mitbegründer des „Omnibus für direkte Demokratie“, beleuchtet Begriffe, er erklärt, dass Begriffsarbeit eine Arbeit sei, die uns aus dem Ichwesen herausbringe. Den Begriff Freiheit gäbe es zum Beispiel als Meinungs-, Konsum- und Rechtsfreiheit. Unsere Aufgabe sei es Recht zu schaffen, denn Recht sei auch ein Himmelsgeschenk, gerate allerdings auf Erden noch als schwieriger Prozess und „muss sich hier beweisen", so Stüttgen.

Der Wirtschaftsbegriff solle sauber bedacht werden, man müsse in Kreisläufen denken, als Lebewesen. Ursprünglich war Wirtschaft profitorientiert, gemeint sei mit Wirtschaft, dass Bedürfnisse auf Erden bestmöglich erledigt werden würden, dabei den anderen Menschen in einer erhabenen Form zu begegnen. Stüttgen forderte Klarheit im Denken, da man sonst die Treue zu sich selbst aufgeben würde.

„Untereinander leben, weil wir aufeinander angewiesen sind,“ proklamierte Prof. Friedrich Glasl, Konfliktforscher und Trigon Organisationsberater, und ergänzt: „Im Schatten der Riesen entstehen schon viele Aktionen, da ist eine Bewegung im Gange“, und er empfahl „Lass Dich nicht einschüchtern von der Übermacht. Lass Dich nicht ohnmächtig machen, andere haben ähnliche Sehnsüchte.“ Antisoziale Triebe kommen auch aus einem vom Egoismus getriebenen wirtschaftlichen Handeln.

Anhand der Thematik solle man ein Leben in Geschwisterlichkeit und geistiger Autonomie in einem würdevollen, menschlichen Umgang leben. Wachwerden könne man auch, wenn man erkenne, dass in der Pluralität nicht ein Problem, sondern eine Ressource liegt, betonte Glasl.

Passend zum 17. Juni gab es am Abend das „Bundesweite Dinner“ als Bekenntnis zur offen Gesellschaft. Am langen Tisch könne sich ja dabei herausstellen, dass aus Fremden Freunde werden können.

Künstlerisches

Die künstlerischen Interventionen brachten in unterschiedlichsten, wohldosierten Varianten: Klänge, Bewegung, Akrobatik Performance zum ganzen Kongress-Geschehen hinzu. Da tanzen zum Beispiel gleichzeitig zwei Frauen auf der Bühne, die eine modernen Balletttanz und die andere Eurythmie.

Abendlich nach den Vorträgen bot Dawn Nilo, die auch einen Kurs gab mit Übungen zum Bewusstsein, in der Wahrnehmung von dem, was dahinter liegt, eine clowneske Performance, das das „Gelernte“ aus den Vorträgen spontan mit Humor auflockerte.

In einer ästhetische Aktion mit weißen, heliumgefüllten Luftballons, die im großen Saal täglich an Zahl zunahmen, präsentierten sie sich wie Choreographien täglich in neuen Formationen, sie steigerten sich von anfangs etwa 50 bis 2000 Stück.

Ein Karma Point – eingerichtet von Jonas von der Gathen – ermöglichte den Austausch von Botschaften. Alle Teilnehmer waren darauf im Rund namentlich erfasst, jeder hatte an der Stelle seinen Nagel einzuschlagen, was ermöglichte, anhand von farbigen Garnen Botschaften erkennen zu geben. So konnte man mitteilen, dass man sich kennt, dass man jemanden sucht, dass man jemandem neu begegnet und so mit seinen Karma beschäftigt ist. Das Karmagebilde fand regen Zulauf und ließ ein vielschichtig buntes, lineares Gebilde entstehen. Der anfängliche Anstoß, bei dem jeder unter seinem Stuhl einen Namen hervorziehen konnte, den sogenannten Karmapartner, brachte unmittelbar Bewegung mit sich.

Am Festabend konnten die Kongressteilnehmer wählen zwischen der Eurythmie-Aufführung mit einer Formenkomposition in der Stille und dem Klavierquintett in G-Moll von Dimitri Schostakowitsch von dem Else-Klink Ensemble oder der Aufführung des inklusiven Eurythmieprojekts von Schülern der Windrather Talschule, die „Momo“ mit Spracherzählung, Musik und Gesang und Eurythmisten aller Altersklassen auf die Bühne brachte.

Wie viele Schritte in die Zukunft waren es im Einzelnen? Zahlreiche Herausforderungen wurden bewusst gemacht. Der Kongress bot ein vielfältiges Ereignis, das nachklingt, besser noch nachhaltig wirkt, wenn sich nach Tagen der Gemeinsamkeit jeder wieder auf seinem Weg in die Zukunft begibt.

END/nna/wil

Bericht-Nr.: 170629-02DE Datum: 29. Juni 2017

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