Nachrichtenbeitrag

Statt Spekulationsobjekten: Immobilien in den Dienst des Gemeinwohls stellen

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Von NNA Mitarbeiter

Die Stiftung trias berichtet über neue Wohnprojekte. Trotz drastischem Anstieg der Obdachlosen, müssen gemeinwohlorientierte Immobilienprojekte mit einem „Ablaufdschungel“ kämpfen. Andere Baurichtlinien sind nötig.

HATTINGEN/RUHR (NNA) – Über zwei gelungene Wohnprojektvorhaben, für die gemeinwohlorientierte Initiativen den Zuschlag erhalten haben, berichtet die Stiftung trias in ihrem Dezember-Rundbrief.

Zum einen verkauft die Stadt Hattingen/Ruhr das Grundstück der Alten Feuerwache an die Bietergemeinschaft der Genossenschaft hwg eG und der Stiftung trias. Enstehen soll hier ein „gut gemischtes Kleinquartier“, von Alleinerziehenden über Flüchtlinge bis hin zu Senioren mit geringen Einkünften reichen die Ideen. In Berlin ist es das Projekt Schöneberger Linse, bei dem trias zusammen mit der Hannoverschen Pensionskasse und der Urban Coop eG den Zuschlag erhalten hat. Hier soll ökologisches, energiesparendes und gemeinschaftliches Bauen auf genossenschaftlicher Basis erprobt werden.

Außerdem informiert der Rundbrief über eine neue Broschüre der Stiftung trias für Interessenten, die ein Wohnprojekt gründen wollen. Neben Beispielen von Wohnprojekten und der Menschen, die darin leben, enthält sie auch praktische Informationen wie die Suche nach Partnern oder eine Auflistung von Beratungstellen. Die Broschüre kann zum Preis von EUR 7,00 unter versand@stiftung-trias bezogen werden.

Ablaufdschungel

Wie aktuell das Thema Wohnbaupolitik derzeit ist, zeigt auch eine jüngste Veröffentlichung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Die Zahl der Obdachlosen in Deutschland ist danach in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen, nach Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft hatten 2016 rund 860.000 Menschen keine Wohnung, die Hälfte von ihnen sind Flüchtlinge. Die Organisation befürchtet einen weiteren Anstieg, bis 2018 könnten 1,2 Millionen Menschen ohne Wohnung sein.

Zivile Akteure, die gemeinwohlorientierte Immobilienprojekte realisieren wollen, sehen sich aus der Sicht der Stiftung trias immer noch einem „Ablaufdschungel“ voller Regeln, Anträge, Zuständigkeiten und bei Nichtbeachtung Bußgeldern und sogar Strafen gegenüber. Die Notwendigkeit neuer Rahmenbedingungen für Wohnprojekte sowohl auf bundes,- als auch auf landes- und kommunalpolitischer Ebene wird immer wieder betont. Erforderlich ist aus der Sicht der Initiativen ein ganzheitliches Konzept in der Wohnungsbaupolitik der Bundesregierung, um gemeinwohlorientierte Projekte zu fördern.

Wie können trotz spekulativer Boden- und Immobilienmärkte nachhaltige Konzepte rund um das Wohnen und Zusammenleben in der Nachbarschaft verwirklicht werden? Wie kann die Wohnungsnot gelindert, wie können Teilhabechancen für alle eröffnet werden und wie wird selbstbestimmtes Wohnen in den Städten ermöglicht?

Fragen wie diese wurden z.B. auf einem Konvent im vergangenen Jahr aufgeworfen, an dem Vertreter von Wohnbund e.V., die Stiftung trias auf Einladung der Montag Stiftung-Urbane Räume teilgenommen haben. „Immobilien für viele – Gemeinwohl gemeinsam gestalten“ lautete die zentrale Forderung der Veranstaltung, die sich mit zentralen Fragen der Stadtentwicklung im 21.Jahrhundert befasste. „Der Druck auf dem Immobilienmarkt gefährdet die Vielfalt und den Zusammenhalt in unseren Städten“, betonte Julia Gerometta von Bündnis 90/Die Grünen auf dem Konvent.

Forderungskatalog

Wie bei der Tagung deutlich wurde, muss vor allem die Vergabepraxis der Kommunen verändert werden, hier soll in Zukunft das Konzept höher bewertet werden als der Preis.

„Die mangelnde Verfügbarkeit von Boden für gemeinwohlorientierte Zwecke ist ein strukturelles Problem“, heißt es dazu in dem von den Teilnehmern aufgestellten Forderungskatalog. Insgesamt nahmen 150 Personen teil, darunter auch viele Wohnprojektaktivisten.

Eine weitere erhobene Forderung richtet sich auf die Finanzierung der Projekte. Gefordert werden hier „Bürgschaftsschirme für gemeinwohlorientierte Vorhaben“ von Seiten der Landesförderbanken. Bisher sei es so, dass die meisten Geschäftsbanken gemeinwohlorientierte Projekte „nur mit spitzen Fingern“ anfassen. Gemeinschaftliche Finanzierung würden durch das Vermögensanlagegesetzt erschwert. Nur bei den alternativen Banken sei derzeit das Know How gegeben, gemeinwohlorientierte Projekte angemessen zu beraten.

Wohnprojekte fallen wegen ihrer vieldimensionalen Nutzungsstrukturen und vielfältigen Akteuren häufig durch die bestehenden Raster für Förderungen. Alle Förderungen haben abgeschlossene Planungen zur Voraussetzung und stehen so schrittweisen Entwicklungsprozessen im Wege. Vorhandene Förderprogramme müssten an die Bedürfnisse der Wohnprojekte angepasst werden, wurde gefordert.

Gemeinwohlorientiere Investoren haben außerdem meist keine Möglichkeit, Gemeinnützigkeit für sich geltend zu machen, sie können sie oft nur über Umwege wie Denkmalschutz oder Völkerverständigung erlangen. Hier müsse die Abgabenordnung auf ihre Aktualität hin überprüft und neue Kriterien für stadtteil- und nachbarschaftsbezogene Vorhaben entwickelt werden.

Bessere Zusammenarbeit

Abschließend wurde die Forderung nach „mehr Augenhöhe“ in der Zusammenarbeit zwischen kommunalen Institutionen und Projekten erhoben. Vertreter der Kommunen hätten in der Regel mehr Zutrauen zu Investoren oder Bauträgern als zu lokalen und kooperativen Initiativen. Hier sehen die Wohnprojektaktivisten Abhilfe in der Ausbildung der Stadtmacher der Zukunft, geplant ist außerdem eine Stärkung der Beratungsnetzwerke für gemeinwohlorientierte Projekte und ein Handbuch, in dem Qualitätsverfahren beschrieben werden.

Gastgeber der Tagung in Leipzig war die Montag Stiftung Urbane Räume, eine unabhängige gemeinnützige Stiftung und gehört zur Gruppe der Montag Stiftungen in Bonn. Sie setzt sich dafür ein, dass die Lebensräume der Menschen so entwickelt werden, dass sie ein selbstbestimmtes und inklusives Leben ermöglichen. Eine wichtige Voraussetzung dafür sind funktionierende Nachbarschaften. Die Stiftung trias ist eine fachlich orientierte Bürgerstiftung, die seit 2002 gemeinschaftliches und ökologisches Wohnen fördert.

END/nna/ung

Bericht-Nr.: 171217-04DE Datum: 17. Dezember 2017

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Schöneberger Linse, Berlin: Ökologisches, energiesparendes, gemeinschaftliches, soziales, genossenschaftliches Bauen.
Die Alte Feuerwache in Hattingen: Es soll ein gut gemischtes Kleinquartier geschaffen werden.<br>Fotos: Stiftung trias