Nachrichtenbeitrag

Steiner-Nachlassverwaltung bekräftigt Willen zu Ausstellungen

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Von NNA Mitarbeiter

DORNACH (NNA) - Auch zukünftig wird es Ausstellungsprojekte mit Exponaten aus dem Rudolf Steiner Archiv geben, wenn deren Eigenfinanzierung gesichert ist. Dies versicherte das Vorstandsmitglied der Nachlassverwaltung, Cornelius Bohlen, gegenüber einer Delegation der Konferenz der anthroposophischen Öffentlichkeitsarbeiter und Redakteure (KoPRA). Auf ihrer Zusammenkunft im April in Wien hatte KoPRA eine öffentliche Erklärung verabschiedet, in der die Mitglieder ihre Sorge über die Weiterarbeit des Archivs nach dem Ausscheiden seines Leiters, Prof. Walter Kugler und der Mitarbeiterin Vera Koppehel zum Ausdruck gebracht hatten. Nach einer früheren Stellungnahme eines Vorstandsmitglieds der Nachlassverwaltung war der Eindruck entstanden, das Archiv wolle seine Tätigkeit auf die Herausgabe der Steiner-Schriften reduzieren.

Externen Anfragen nach Exponaten und Materialien sei nach Möglichkeit zu entsprechen, schreibt KoPRA-Delegationsmitglied Walter Hiller in einer Pressemitteilung, die nach dem Besuch bei der Nachlassverwaltung herausgegeben wurde. Im Gespräch wurde offensichtlich auch nicht ausgeschlossen, dass Prof. Walter Kugler wieder bei solchen Projekten beteiligt wird.

Die Nachlassverwaltung hat auch gewürdigt, dass durch die Ausstellungstätigkeit – die vor allem durch Prof. Kugler und Vera Koppehel angeregt und organsiert worden war - in der jüngsten Zeit erfreulich viel Medieninteresse für das Werk Rudolf Steiners und seine Praxisgebiete geweckt worden ist. Allerdings sei die Nachlassverwaltung dadurch auch vor die Frage gestellt worden, wie die Einrichtung mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln in Zukunft erhalten werden könne.

In einem Interview mit NNA (siehe Link unten) hatte Vorstandsmitglied Cornelius Bohlen beklagt, dass die Aufgabe der Grundfinanzierung des Steiner-Archivs nicht ausreichend im Bewusstsein der anthroposophischen Gesellschaften in den einzelnen Ländern verankert ist. „Wenn wir ein seriös arbeitendes Archiv wollen, das den gegenwärtigen Standards entspricht und den Ansprüchen der Wissenschaft stand hält, dann müssen wir es auch entsprechend ausstatten, und zwar so, dass der laufende Basisbedarf gedeckt ist“, betonte er. Auch die Entwicklung der universitären Esoterikforschung in den letzten zehn Jahren gebe Anlass, das Archiv mit einer tragfähigen Finanzierung aus-zustatten.

Die Basisfinanzierung des Archivs bezifferte Bohlen im NNA-Interview mit rund 350.000 Schweizer Franken jährlich. Bisher finanziert sich das Archiv über Lizenzen, Mieterträge und freiwillige Zuwendungen aus der anthroposophischen Bewegung. Geregelte Zahlungen zur Deckung des Basisbedarfs gebe es – bis auf die Beteiligung einiger Zweige der Schweizer Anthroposophen – bisher nicht. „Bis auf die deutsche Gesellschaft und wenige Stiftungen, die in den letzten Jahren immer wieder einzelne Editionen unterstützt haben, fühlt sich kaum jemand verpflichtet, das Archiv mit einer soliden Finanzbasis aus-zustatten“, rügt Bohlen. Durch die nicht geregelte Basisfinanzierung sei man gezwungen gewesen, die Reserven des Archivs aus Erbschaften und Schenkungen immer wieder in Anspruch zu nehmen. Diese Reserven seien 2011 erschöpft gewesen.

“Schwer verständliche Abläufe” um das Ausscheiden der Mitarbeiter

Im Gespräch mit den KoPRA-Delegierten Ruth Bamberger, Detlev Hardorp und Walter Hiller erläuterte Bohlen auch die Gründe für das Ausscheiden der beiden bekannten Mitarbeiter Prof. Kugler und Koppehel vor dem Hintergrund dieser unzureichenden finanziellen Absicherung. In der Pressemitteilung der Delegation werden die damit verbundenen Abläufe als “schwer verständlich” bezeichnet.

NNA hatte die Vorgänge im Rudolf Steiner Archiv zum Anlass genommen, mit dem bekannten Konfliktfachmann und Organisationsentwickler Prof. Friedrich Glasl generell über die Lage der Mitarbeiter in alternativen Organisationen zu sprechen (siehe Link unten). Immer wieder kommt es anlässlich des Ausscheidens von Mitarbeitern solcher NGOs zu Konflikten, die für Aufsehen sorgen. Nicht selten enden sie auch vor Arbeitsgerichten und ihr Ablauf stößt in der Szene allseits auf Unverständnis. Geht man doch davon aus, dass gerade die werteorientierten NGOs einen anderen Umgang mit ihren Mitarbeitern an den Tag legen sollten, als dies in der gewinnorientierten Wirtschaft vielerorts üblich ist.

Zum Konflikt am Steiner-Archiv selbst wollte sich Glasl nicht äußern. Hinsichtlich der alternativen Szene im allgemeinen einschließlich der anthroposophischen Einrichtungen lautete seine These: In den Non-Profit-Organisationen müsse einiges getan werden, um den Erfordernissen der Zeit zu entsprechen auch im Bereich des Personalmanagements. Prof.Glasl: “Insgesamt muss man in den NGOs viel mehr an seiner Sozialkompetenz und Konfliktfähigkeit arbeiten als dies bisher der Fall ist. Es ist ein Teil des Qualitätsaspekts, wie wir miteinander umgehen”. Dies gelte gerade auch für Dienstleister in der alternativen Szene wie Schulen oder Krankenhäuser.

Bei den Konflikten im Umgang mit Mitarbeitern gehe weniger um Spannungen, die auf die Problemstellung Unternehmer-Arbeitgeber zurückzuführen sind, sondern viel eher um menschliche Fragen wie ein Arbeitsstil, um Charakter oder Temperament oder um ganz normale gruppendynamische Spannungen. Glasl zufolge kommt es darauf an, die Konflikte aktiv anzugehen und zu regulieren. Eine solche institutionalisierte Konfliktprävention gebe es noch ganz wenig in den anthroposophischen Organisationen. Glasl sieht „viele Krisensignale in der Szene“.

Vieles sei so in Ordnung gewesen zu Zeiten der Gründer der Organisationen, aber heute genüge es den Ansprüchen nicht mehr wie sie z.B. von Eltern oder Patienten vorgebracht würden. Die Zeitlage habe sich inzwischen verändert. Dem müsse auch bei den NGOs Rechnung getragen werden.

END/nna/ung

Bericht-Nr.: 120618-01DE Datum: 18. Juni 2012

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