Nachrichtenbeitrag

„Transformation der Landwirtschaft dringend notwendig“

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Von NNA-Mitarbeiter

Das AgrarBündnis hat einen kritischen Agrarbericht mit einem Zehn-Punkte-Forderungskatalog für Bundesregierung vorgelegt. Auch die Billigpreise liegen im Fokus, trotzdem hat die Organisation den Koalitionsvertrag begrüßt.

Berlin (NNA) – Große Erwartungen an die neue Bundesregierung und ein erhebliches Ausmaß an Reformbedarf in der Agrarpolitik wurden bei der Pressekonferenz des AgrarBündnisses in Berlin deutlich, das zum 30. Mal in Folge den Kritischen Agrarbericht vorgelegt hat. Im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition sieht das Bündnis vieles von dem verwirklicht, was die Mitgliedsverbänden an Konzepten erarbeitet haben.

„Nun ist es notwendig, den Reformstau aufzulösen und die dringend notwendige Transformation der Landwirtschaft anzugehen“, betonte der Geschäftsführer des Bündnises, Frieder Thomas, dem 26 unabhängige Organisationen aus Landwirtschaft, Umwelt-, Natur- und Tierschutz sowie Verbraucher- und Entwicklungspolitik angehören. Es repräsentiert mehr als eine Million Einzelmitglieder. Der diesjährige Kritische Agrarbericht hat „Preis Werte Lebensmittel“ zum Thema. Der Agrarwissenschaftler Thomas wies auch darauf hin, dass es für eine nachhaltige Transformation der Landwirtschaft nicht ausreichend sein wird, nur die Fördermittel zu erhöhen. Auch über Preise müsse geredet werden. Alle Berechnungen zeigten, dass die derzeit eingesetzten öffentlichen Mittel nicht ausreichend seien für angemessene Erzeugerpreise und die angestrebte Transformation.

Das Bündnis erwartet von der Bundesregierung ähnliche gesetzliche Bestimmungen wie sie in Frankreich und Spanien schon existieren, die verhindern sollen, dass Verarbeiter und Handel die Erzeugerpreise unter die Produktionskosten drücken können. Außerdem zeige der Agrarbericht mehrfach auf, wie unsichtbare Kosten der Lebensmittelproduktion – Kosten, die zu Lasten der Natur, der Allgemeinheit oder zukünftiger Genationen gingen – bei der Preisgestaltung berücksichtigt werden können und so den Verbrauchern bewusste Entscheidungen ermöglichen.

Die Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtscchaft (AbL), Elisabeth Fresen, versicherte, die Landwirte seien bereit, die Herausforderungen von Tierwohl, Klima- und Artenschutz anzugehen, aber dazu müsse die Bundesregierung einen entsprechenden politischen Rahmen setzen, statt wie bisher „die Gestaltung den freien Kräften des Marktes zu überlassen. Außer für kostendeckende Preise müsse auch ein besserer Zugang zu Land gewährleistet werden, um den bäuerlichen Betrieben sichere Perspektiven zu ermöglichen.

Leitbild Öko

Der Bio-Spitzenverband BÖLW zeigte sich zufrieden, dass die Bundesregierung „Öko als Leitbild für den Umbau“ etabliert habe. Bio sei ein gesetzlicher Standard mit klarer Kennzeichnung, einem Bio-Siegel, einem Kontrollsystem und einem etablierten Markt. „Über 50.000 Höfe, Hersteller und Händler haben über die letzten Jahrzehnte einen echten Toprunner geschaffen“, betonte Tina Andres, Vorstandsvorsitzende von BÖLW. Nun komme es darauf an, dass die Bundesregierung einen guten Bio-Aktionsplan entwickele.

Vertreter von Tierschutzorganisationen wiesen darauf hin, dass es kein „Menschenrecht auf Billigfleich und auch keins auf Fleisch“ gebe. Notwendig sei ein klares Ordnungsrecht mit dem Fokus „Tierschutz“, das 20er Jahrzehnt dieses Jahrhunderts müsse zum Jahrzehnt des Tierschutzes werden, forderte Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Olaf Brandt, Bundesvorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) kritisierte, immer noch werde „viel Geld mit der Gießkanne über Europas Äcker und Wiesen verteilt“. Die EU-Fördergelder in Milliardenhöhe müssten endlich dafür genutzt werden, gesellschaftliche Leistungen der Landwirte zu honorieren: „Wer mehr für den Klimaschutz macht, die Tiere besser hält, weniger Pestizide einsetzt und die Biodiversität schützt, muss unterstützt werden.“

Erstmals ist dem Kritischen Agrarbericht auch ein Forderungskatalog für zehn wichtige Politikerfelder beigefügt, der aus den verschiedenen Analysen im Bericht entwickelt worden ist. Sie dokumentieren das gewaltige Ausmaß an Veränderung, die in der Agrarpolitik notwendig sein werden, um den heutigen Anforderungen gerecht zu werden, die Klima- und Umweltschutz, Tierwohl, soziale Gerechtigkeit auch gegenüber dem globalen Süden und den Verbraucherschutz umfassen.

So werden z.B. im Kapitel „Agrarpolitik und soziale Lage“ verlässliche Finanzierungskonzepte für den Umbau der Nutztierhaltung weg von der Massentierhaltung gefordert, die den Landwirten Planungssicherheit gewährleisten sollen, außerdem eine stärkere Förderung von Junglandwirt:innen.

Bei „Welthandel und Ernährung“ geht es u.a. um eine Initiative zur Um- und Entschuldung von Ländern des globalen Südens, um diesen nach der Corona-Krise einen gerechten und klimakompatiblen Wiederaufbau zu ermöglichen. Kurzfristig müssten die von Corona, Klimakrisen und Konflikten betroffenen Länder unterstützt werden, um Hunger und Mangelernährung zu verhindern.

Ökologischer Landbau und Naturschutz

Beim Kapitel „ökologischer Landbau“ setzt das Bündnis auf eine verpflichtende Kennzeichnung von Fleisch mit Bio als höchstem Qualitätsmerkmal. Auf jeder Packung müsse – wie schon bei den Eiern durchgesetzt – erkennbar sein, wie Huhn, Schwein oder Rind gehalten worden seien. Gefordert wird auch eine strenge Regulierung der Gentechnik. Nur so könne die Wirtschaft frei wählen, was sie produziere und die Konsument:innen, was sie essen.

Bei der Produktion sei u.a. darauf zu achten, dass die Intensität der Düngemaßnahmen auf einem Niveau ausgerichtet werde, bei dem es nicht zu Nährstoffüberschüssen und -verlagerungen kommen könne.

Auch die Anzahl der Tiere soll sich an den betrieblichen Futtergrundlagen den Möglichkeiten der Düngung orientieren. Zur Annäherung an artgerechtes Tierverhalten ist für alle Tiere mindestens ein freier Auslauf und soweit möglich für Rinder, Zuchtschweine und Hühner Weidegang vorzusehen. Betriebe, die diese Vorgaben einhalten, sollen über eine Öko-Verordnung gefördert werden.

Die Förderlandschaft müsse insgesamt übersichtlicher und schlanker werden.

Im Kapitel Naturschutz wird u.a. die Beschleunigung der Planungsverfahren gefordert, um die realen Ursachen des Umsetzungsstaus bei der Energiewende und im Naturschutz zu bekämpfen wie fehlende verbindliche Planung, Personalmangel in der Verwaltung und fehlende einheitliche Qualitätsstandards. Bis 2025 sollen auf mindestens 30 Prozent der Landesfläche und auf mehr als 30 Prozent der Meeresfläche in Deutschland wirkungsstarke und vernetzte Naturschutzgebiete aufgebaut werden. Zehn Prozent der Fläche sollen zu grünen Korridoren zwischen diesen Schutzräumen werden.

Bei der Waldbewirtschaftung dürfe die ausschließlich auf die Optimierung der Holzerzeugung ausgerichtete Wirtschaftsweise nicht länger an erster Stelle stehen. Ökologische Mindeststandards sollen einen schonenden Umgang mit den Wäldern sicherstellen. Die nicht klimaneutrale energetische Nutzung von Holz soll bis 2030 auf ein Minimum reduziert werden.

Beim Tierschutz sollen sich die Bestände an ökologischen Kriterien und der Größe der verfügbaren Fläche orientieren. Lebendtiertransporten wird eine Absage erteilt.

Strikte Regulierung der Gentechnik

Neue Gentechnikverfahren müssen strikt nach Gentechnikrecht reguliert bleiben, das in der EU geltende Vorsorgeprinzip sei konsquent anzuwenden. Patente auf Leben sollen gestoppt werden und der freie Zugang zu gentechnischen Ressourcen als Grundlage von Züchtung und Ernährungssouveränität müsse sichergestellt werden.

Beim Verbraucherschutz soll eine verbindliche Nachhaltigkeitskennzeichnung eingeführt werden, um irreführende Marktpraktiken zu unterbinden. Ein Nachhaltigkeitslabel sollte staatlich organisiert sein. Da die Transformation der Landwirtschaft zu erhöhten Lebensmittelpreisen führen werde, müsse auch ein sozialpolitischer Ausgleich erfolgen z.B. durch die Anhebung der HartzIV-Sätze.

Eine gesunderhaltende Lebensweise dürfe keine Frage des Geldbeutels sein.

END/nna/nh

Bericht-Nr.: 220126-03DE Datum: 26. Januar 2022

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Foto: AgrarBündnis