Nachrichtenbeitrag

Türkische Behörden behindern Berichterstattung über Erdbeben

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Von NNA-Mitarbeiter

Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat dagegen protestiert, dass die türkischen Behörden versuchen, die Berichterstattung über das Erdbeben zu kontrollieren, auch Reporter wurden festgenommen. In den sozialen Medien sorgt der Imam an der Spitze des Katastrophenschutzes für Empörung nach Kritik an seiner mangelnden Kompetenz.

BERLIN (NNA) – Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hat dagegen protestiert, dass die türkischen Behörden Medienschaffende, die über das Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet berichten wollen, behindern, schikanieren oder sogar festnehmen. Medienschaffende würden beschuldigt, „die Polizei oder den Staat zu diffamieren“, schreibt RSF.

Korruption, Vetternwirtschaft und Versagen der Behörden in der durch Erdbeben gefährdeten Türkei werden für die hohe Zahl der Opfer verantwortlich gemacht. Rund 50.000 Menschen kamen ums Leben, etwa zwei Millionen wurden obdachlos.

Medienberichten zufolge ist auch der Katastrophenschutz Afad selbst Teil des Problems, an dessen Spitze Ismail Palakoglu, ein Imam steht, der zuvor Chef des Präsidiums für religiöse Angelegenheiten war. Oppositionspolitiker haben die Biografie des Verantwortlichen für den Katastrophenschutz auf Twitter verbreitet, seine mangelnde Kompetenz kritisiert und damit einen Sturm der Kritik in den sozialen Medien ausgelöst, heißt es in einem Bericht.

Es werde immer deutlicher, dass das Regime versuche, die Berichterstattung über die Katastrophe und die Reaktion der Behörden zu kontrollieren, betont RSF. Zu den Verletzungen der Pressefreiheit, die die Organisation seit den ersten Beben beobachtet hat, gehörten „physische Gewalt, Festnahmen, Gerichtsverfahren, Verfolgung im Netz und die Einschränkung von Twitter“.  Die zahlreichen Angriffe, Festnahmen und Einschüchterung gegen Medienschaffende seien alarmierend, erklärte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Reporterinnen und Reporter, die zurzeit in die verwüsteten Gebiete fahren, tun nur ihre Arbeit und das unter schrecklichen Bedingungen. Ihre Berichterstattung ist wichtiger denn je“,

Reporter festgenommen

Allein für den 8. Februar registrierte RSF drei Fälle, in denen Medienschaffende aus fadenscheinigen Gründen hinter Gittern gelandet seien. Mahmut Altintas, ein Reporter der kurdischen Mesopotamia Agency (MA), und Sema Caglak, eine Reporterin der Frauen-Nachrichtenseite JinNews, wurden in Birecik unter dem Vorwand festgenommen, dass sie keine offiziellen Presseausweise hätten. MA-Reporter Mehmet Güles wurde gemeinsam mit einem freiwilligen Helfer in Diyarbakir wegen des Verdachts auf „Schüren von Hass“ festgesetzt. Er sei später zwar entlassen worden, stehe aber weiter unter Aufsicht.

Der Rundfunkrat (RTÜK) – der von den Regierungsparteien dominiert wird – schlug bereits wenige Stunden nach dem ersten Erdbeben einen aggressiven Ton an und sprach eine strenge Warnung an unabhängige Medien aus, die über die zunehmenden Reaktionen und Hilferufe aus den betroffenen Regionen in Südostanatolien berichteten. „ Die Rundfunkanstalten dürfen per Gesetz keine Informationen verbreiten, die Desinformation darstellen oder die Menschen in Panik versetzen“, warnte RTÜK-Präsident Ebubekir Sahin. All diejenigen, die versuchten „eine ganz andere Wahrnehmung zu erzeugen“, würden genau verfolgt.

Auch die Beschränkungen für ausländische Medien wurden verschärft. Das Präsidialamt für Kommunikation schreibt ein Akkreditierungsverfahren für internationale Medien vor, die in die Erdbeben-Gebiete reisen und mit den Opfern sprechen wollen. Guillaume Perrier, einem bekannten Reporter der französischen Wochenzeitung Le Point, wurde am 8. Februar die Einreise verweigert. Die Begründung: Seine Berichterstattung stelle eine „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ dar, schreibt RSF.

Auch online Einschränkungen

Auch online wurde der Zugang zu Informationen eingeschränkt. Das Internet sei am 7. Februar für mehr als zehn Stunden stark eingeschränkt. Das sei genau der Moment gewesen, in dem Vorwürfe wegen des miserablen Krisenmanagements der Regierung laut  geworden seien. Einer davon lautete, dass der Staat lange keine Hilfe in die regierungskritischen und mehrheitlich kurdischen Gebiete geschickt habe und viele Menschen sterben mussten, die eigentlich hätten gerettet werden können.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit liegt die Türkei auf Platz 149 von 180.

END/nna/ung

Bericht-Nr.: 230317-02DE Datum: 17. März 2023

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Rettungsleute durchsuchen den Schutt der in Trümmer gelegten Stadt Hatay im Süden der Türkei nach Überlebenden,
eine der am stärksten von dem Erdbeben betroffenen Städte. (Fotos: Aksel Anil / Pexels)