Single News

Vom wahren Luxus in der rastlosen digitalen Gesellschaft

 | 
By NNA-Korrespondentin Edith Willer-Kurtz

Die Ausstellung „Geist und Luxus“ im Kloster Dornach bewirkt Entschleunigung und Innehalten. Es geht um Werte, die mit Innenwelten und Geistigem zu tun haben.

“Welches ist der wahre Luxus unserer rastlosen, digital beschleunigten Gesellschaft?“ Dieser Frage geht eine Ausstellung nach, die noch bis zum 31. März im Kloster Dornach in der Schweiz zu sehen ist. NNA-Korrespondentin Edith Willer-Kurtz hat sie sich angesehen und im Begleitbuch geblättert.

Dornach (NNA) – Bei der derzeitigen Ausstellung  „Geist und Luxus“ sind Ort, Kunst und Kultur gleichermaßen wichtig. Das Kloster Dornach gehört seit 1999 der Stiftung Kloster Dornach. Es vereint Restaurant, Hotel und Ausstellungsräume zu einem Ensemble von Kultur, Religion und Spiritualität, so jedenfalls der Anspruch der Stiftung Kloster Dornach, die das Anwesen vor 20 Jahren übernommen hat.

Mit dem Kulturprogramm wollten Kunst und Kulturschaffende, sowie visuelle Gestalterinnen und Gestalter Werke schaffen, „die eine Vision einer klösterlichen Oase der Rekreation für Geist und Seele mittels Kunst und Kultur aufnehmen und bereichern will“, so heißt es im Informationsblatt zur Ausstellung, verfasst von der Kuratorin der Ausstellung, Barbara van der Meulen.

Das Begleitbuch zur Ausstellung, das in luxuriöser Schlichtheit produziert ist, enthält Textbeiträge von Autoren, die sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Darin schreibt Niko Paech , Professor und Lehrbeauftragter der Universität Siegen im Studiengang Plurale Ökonomik in seinem Artikel „Geist und Luxus - Eine Frage der rationalen Zeitverwendung“: „Wer in materieller Opulenz zu versinken droht, verzichtet nicht, wenn er oder sie sich auf das wichtigste beschränkt, sondern befreit sich von Überflüssigem. Klug jene Lasten abzulegen, die viel Zeit fressen, aber nur minimalen Nutzen stiften ...“ In der Kunst des Reduzierens liege der Schlüssel zur wahren Wertschätzung der Dinge, die uns umgeben und „Wer einem einzelnen Objekt oder Erlebnis mehr Sinnstiftung zu entringen vermag, lebt genügsamer.“

Freilassend schreibt Johannes Schleicher, Diplom-Theologe und Autor, in seinem schriftlichen Beitrag (im Begleitbuch) „Jede und Jeder mag auf die Fragen ‚was ist für das Leben wichtig‘, nach ihrer oder seiner Facon antworten“. Er aber habe sich entschieden für Haltungen im Leben, die das Leben fördern, das wir nicht verlängern können, aber vertiefen. Wir sollten uns bewusst werden, „dass es in uns, unserer Sehnsucht, unserem Herzen, viel mehr gibt als die Gier nach materiellem Luxus: nach Leben in Fülle“.

Leben in Fülle

Die freie Enzyklopädie Wikipedia beschreibe das Wort „Leben in Fülle“ so: ein erfülltes, nach ethischen Grundsätzen ausgerichtetes, im Wesentlichen zufriedenes Leben. So gesehen sei Fülle ein höchst spiritueller Begriff und meine wohl Leben in seiner Gesamtheit. Mit Gesamtheit sind nicht nur die Sonnenseiten des Lebens gemeint, sondern auch das Leid, das Negative, Schwere, Ungerechte, erklärt dazu Schleicher.

„Der größte Luxus ist die eigene Meinung: nur wenige leisten sich ihn“ schreibt u.a. Thomas Brunnschweiler als Spruch in seiner Postkarten Edition, welche eigens für die Ausstellung entstand.

Im Kreuzgang des Klosters, der mit durchgehenden Fenstern den Blickaustausch von Innen und Aussen ermöglicht, zeigt Serge Hasenböhler an den drei den Fenstern gegenüberliegenden Wänden seine fotographische Intervention mit dem Titel „Abendmahl“ 49 cm x 3100 cm. Zu sehen ist ein drapiertes weißes Tischtuch in üppigem Faltenwurf, einem Objekt–trouvé, das im Kloster auch schon einen reichhaltigen Buffettisch zierte.

Als Sujet fotografisch entlang der Wand, gelöst von der eigentlichen Funktion, schweben meist unscharfe, fleckenartige Lichtreflexe. Es sind rhythmisch angeordnete Motive der 12 Apostel mit Jesus in der Mitte, kaum zu erkennen, zu erahnen, als Einladung zu eigenen weiteren Gedanken. Wird ein flüchtiger Blick präsentiert, der den Betrachter zu genauerem hinschauen auffordert, oder schwebt da etwas, was wir geistig erahnen?

Auf den Fensterbänken im Kreuzgang entdeckt der Besucher ovale zeppelinförmige, edle Holzobjekte aus Kirschholz von der dortigen Region gedrechselt, wie Sandra Löwe erklärt, die eine optische und haptische Schönheit schaffen wollte, welche des Hörens würdig sei.

Sandra Löwe hat mit den Audio-Installationen „Historie“ über die Geschichte des Klosters und „Sinnbilder“ Gedichte und Aphorismen präsentiert und erweiterte so die Ausstellung um den Sinn des Hörens. In einer ehemaligen Zelle, dem jetzigen Kunstzimmer „Friede“ sind über Kopfhörer aus der Hörbox Musikstücke, z. B. von Arvo Pärt, Magnificat der Clora Festival Singers oder ein Musikstück von Jan Garbarek mit The Hilliard Ensemble zu hören.

Elemente

Der Künstler Andreas Schneider symbolisiert mit vier Objekten die Elemente, Wind, Wasser, Erde, und Feuer. Zusammen mit den vier Himmelsrichtungen verweisen sie auf die fürsorgliche Offenheit der Kapuziner gegenüber den Armen und Bedürftigen. Er stellt auch einen Bezug her zu Franz von Assisis berühmten Sonnengesang mit den Naturelementen „Bruder Wind“, „Schwester Wasser“, „Schwester Mutter Erde“ und „Bruder Feuer“, seine Objekte aus Purenit sind im Innenhof des Kreuzgangs, am Gebäude und auch im Garten zu sehen.

Ein weiteres gestalterisches Produkt ist die Digital Detox Kur von Johanna Bühler. Sie kann helfen, das Online-Sein für einen gewählten Zeitabschnitt auszuschalten, um zu einer Erholung und einem „neuen Ich“ und der wieder gewonnenen Freiheit zu kommen. Während der Ausstellung kann sich der Gast im Zimmer „Lauschen“ digital „entgiften“. Die Digital Detox Box lässt nicht nur das Smartphone ruhen, sondern lädt den Gast selber zu mehr Stille und Kontemplation ein. Die verschließbare Kartonbox kann, so wie auch andere Kunstgegenstände dieser Ausstellung käuflich erworben werden.

In dem Kunstzimmer „Glück“ von Linda Walter gestaltet, befinden sich „Herbametics“, die Installation aus bedruckten, mit Pflanzensamen gefüllten Glasfläschchen und mit Pflanzennamen bedruckten Papiertüten. Günsel, Mochus Malve, Ringelblume und Schöllkraut stehen repräsentativ für die vielen Erkenntnisse aus der Heilkunst und erinnern an die intensive Arbeit der Nonnen und Mönche. Ein Blick hinunter in den aufgeteilten Klostergarten verstärkt diese Vorstellung.

Im Zimmer „Aufatmen“ steht in der schlichen holzvertäfelten Klosterzelle ein luxuriöses Produkt: Vier Sanduhren der Installation „Zeitgeist.“

Hier kann man sich die Zeit nehmen, die etwa 20cm großen mundgeblasenen Sanduhren auf der Holzkonsole umzudrehen, so dass der Sand durchrieseln kann. Die unterschiedlichen Zeitverläufe werfen Fragen auf: Wie viel ist mir die Zeit wert, wie gehe ich mit der Zeit um? Hier hat man sogar die Möglichkeit, die Zeit in der waagerechten Stellung der Sanduhr anzuhalten. Hier hat man die Zeit selbst in der Hand.

Luxus als Experiment

Idee und Konzept für diese Installation entstanden mit den Studierenden im Kurs: Luxus als Experiment bei der Dozentin Marion Fink von der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW in Basel, speziell genannt werden für diese Installation „Zeitgeist“ Manuela Dornbierer und Joanna Selinger.

Im Meditationsraum des Klosters steht mittig ein übergroßes Lesepult, darauf ein Katalog-Objekt 95x132cm, davor ein zum Raum gehöriger Meditationshocker.

Franceska Petrarca, entwickelte eine Art künstlerisches Archivierungsverfahren, sie zeigt in diesem Katalog auf der einen Seite einen Alltagsgegenstand und beschreibt ihn auf der anderen in einer akribischen Erfassung des Gegenstandes einschließlich seiner Gebrauchsspuren. Diese Arbeit „Präsentiert“ genannt, soll die Besucher der Ausstellung dazu einladen, sich hinzusetzen und in Ruhe durch die Seiten zu blättern.

Das sonst übliche schnelle Durchblättern eines Warenkataloges auf der Suche nach dem Kaufobjekt, erfordert hier ein langsames Blattwenden (bei dem Weltformat F4) und bewusstes Hinschauen, so kommentiert Nicolaj van der Meulen, Professor im Institut Ästhetische Praxis und Theorie der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Die gezeigten Gegenstände, wie Bügeleisen, Spagetti Measure, Ordner, Plastiktasse sind Dinge, die in zehn Jahren Relikte einer vergangenen Zeit sein können. Beim Blättern gerät der Betrachter schon in ein meditatives Nachsinnen über den Wert der Dinge.

In der Ausstellung „Geist und Luxus“ nimmt der Besucher in der Summe der Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit dem Künstlerischen und Örtlichem, zunehmend Werte auf, die mit Entschleunigung, Innenwelten und Geistigem zu tun haben. Je länger er sich dem widmet, desto tiefer wirken diese „Zeit“-Erscheinungen.

Neben dem Goetheanum verfüge Dornach mit dem Kloster über einen „weiteren Leuchttum der Kultur“ mit Ausstrahlung über den Kanton hinaus, hatte Regierungsrat Remo Ankli bei der Eröffnung der Ausstellung „Geist und Luxus“ im Kloster betont.

Diese Funktion wird nun noch verstärkt, wenn im Kloster Anfang 2017 ein Umbau beginnt, der „viel Neues schafft, aber den klassischen Charakter erhält“, so die Stiftung Kloster Dornach. Vorgesehen ist der Einbau eines Lifts, der Hürden für gehbehinderte Personen abbaut, eine Erweiterung der Gaststube, ein Facelifting für Kreuzgang und Innenhof sowie die Erschließung des Gewölbekellers, der bisher nur als Lager genutzt wird, dann aber für gastronomische und kulturelle Zwecke zur Verfügung stehen soll.

END/nna/wil

Literaturhinweis:
Geist und Luxus Begleitbuch zur Ausstellung im Kloster Dornach, Barbara von der Meulen / Marion Fink (Hg.), Schwabe Verlag Basel, ISBN 978-7965-3641-0.

Bericht-Nr.: 170205-01DE Datum: 5. Februar 2017

© 2017 News Network Anthroposophy Limited (NNA). Alle Rechte vorbehalten.

Back
Die „Digital Detox Box“ von Josianne Baumann und Johanna Bühler im Kunstzimmer „Lauschen“ ermöglichen dem Besucher eine digitale Detox Kur – eine bewusste Auszeit der ständig präsenten Technologie. Elektronische Geräte vom Tablet bis zum Smartphone können in den Detox Boxen eingeschlossen werden, die in der Klosterzelle von der Decke hängen und auch erworben werden können. Sie ermöglichen eine „Auszeit für die Seele“.
Im Kunstzimmer „Glück“ von Linda Walter findet sich die Installation „Herbemetics.“ Sie thematisiert die zeitaufwendige und intensive Arbeit in den Klostergärten und bietet die Möglichkeit einer Auseinandersetzung mit altbewährten und teils vergessenen Heilpflanzen.
Im Kunstzimmer „Friede“ findet der Besucher eine Audio-Installation mit Musikstücken von Sandra Löwe. Die zeppelinförmige Hörbox aus einheimischem Kirschholz wurden von Cornelius Hunziker eigens für das Kloster entworfen, sie sollen eine „optische und haptische Schönheit schaffen, welche des Hörens würdig ist.“ Zwei weitere Hörboxen finden sich im Kreuzgang. Sie widmen sich der Geschichte des Klosters und Sinnbildern, Gedichten und Aphorismen. <br>Fotos: Cornelie Unger-Leistner